Voll Generation – mal sehen, was Solidarität wirklich bedeutet

Ein zweifelhaftes Jubiläum feiern wir heute: Seit einem Monat schreibe ich diesen Blog. Es kommt mir vor wie ein halbes Jahr. So kann es gehen. Zum Feiern ist mir indes nicht zumute. Der Kater von gestern ist aber nicht die Ursache.
Die anfängliche Motivation, die Sache irgendwie durchzustehen, weicht langsam und macht Ernüchterung Platz. Das ist wahrscheinlich normal, wenn sich ein Zustand langsam verfestigt. Ich kenne das, habe etwas Ähnliches seit 2016 mehrmals durchlebt, angefangen mit dem Brexit-Referendum, dann gefolgt von der Trump-Wahl, beides Ereignisse, die mich am Verstand von Menschen zweifeln lässt und die sehr schwer verdaulich waren und noch immer sind. Corona ist in dieser Hinsicht vergleichbar, auch hier muss ich Dinge akzeptieren, die ich nicht mag, sehe aber keine Möglichkeit, etwas Wesentliches zu ändern.

Aber darüber möchte ich heute eigentlich nicht sprechen. Zu ernüchternd.
Heute soll es um die Krisen gehen, die wir derzeit durchzustehen haben.
Ja, Krisen.
Plural.
Corona steht derartig im Mittelpunkt, dass die größere Krise, die uns weltweit bedroht, komplett in den Hintergrund gerutscht ist.
Ich rede natürlich von der Klimakrise. Dem Wandel, der uns alle so spektakulär gefährdet und der dennoch vollkommen ausgeblendet wird. Sicher, es scheint nicht so dringend. Denn man kann sich heute ja anstecken, was interessiert da schon ein bisschen Wetter? Auch verursacht die Klimakrise keine medizinischen Notstände im eigentlichen Sinn. Man sieht es nicht, das Leid, zumindest nicht so klar. Kein Wunder, denn das, was wir heute machen, wird erst in einigen Jahren sichtbar werden. Dann aber wird es zu spät sein. Dürren, Überschwemmungen, katastrophale Wetterereignisse unterschiedlichster Art werden mehr Menschen töten als Corona. Und das sind noch die konservativen Schätzungen.
Ironie der Geschichte ist, dass im Augenblick, dadurch dass so viel stillsteht, bei Weitem nicht mehr so viele klimaschädliche Gase produziert werden. Es scheint also, als ob wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Klimarettung durch Corona-Maßnahmen. Dem ist aber nicht so, denn ich befürchte, dass sobald die Wirtschaft wieder geöffnet wird, alles wieder zum Alten übergeht. Warum sollte es auch anders sein? Die Energiewende stockte schon vor Corona, die Zahl der Flüge hat sich auch nicht reduziert, im Gegenteil. Und die Leute scharren schon mit den Hufen, um endlich wieder durch die Welt zu jetten. Alles deutet also darauf hin, dass wir mit dem gleichen Tempo an der Zerstörung unseres Planeten arbeiten werden.

Es ist ein perfides Spiel.
Denn im Augenblick sieht doch die Sache so aus: Je älter man ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass man bei einer Infektion einen schweren Verlauf vor sich hat. Es liegt auch daran, dass man mit zunehmendem Alter immer mehr Erkrankungen mit sich herumschleppt. Es ist trotzdem keine große Weisheit zu behaupten: Die Alten sterben eher.
Was geschieht? Die junge Generation verzichtet. Und zwar um die Alten zu schützen, sie nicht anzustecken. Das ist natürlich eine Vereinfachung, die rein statistisch gesehen aber zutrifft. Klar, es sterben auch junge Menschen. Aber das sind die großen Ausnahmen.
Lassen wir also die einfache Aussage stehen: Jung schützt Alt.

Und nun sehen wir uns die Klimakrise an.
Diese ist im Wesentlichen verursacht durch den Lebensstill von uns, den Älteren. Den Boomern, der Generation X (also meiner), vielleicht auch noch den Millennials. Gerade die ersten beiden Gruppen sind es, die im Augenblick das Leben voll genießen können. Noch nie konnten wir so hemmungslos konsumieren, noch nie so viel kaufen, verreisen, fressen – vor allem Fleisch. Viel Fleisch.
Wir haben dabei eines vergessen: Die, die nach uns kommen. Denn, Hand auf’s Herz, wir haben den Klimawandel verursacht. Durch unseren Lebensstil, durch unser Verständnis, unseren Reichtum zu leben.
Fridays for Future, die Kids, von denen im Moment leider nichts mehr zu hören ist, die Generation Z, werden diejenigen sein, die noch Jahrzehnte auf dieser Welt zubringen müssen. Eine andere haben sie ja nicht.
Nach der Coronakrise müssen wir uns also dringend der Klimakrise zuwenden.
Denn um es mal platt zu sagen: In der Klimakrise haben es die Alten in der Hand, die Jungen zu schützen.
Ist es also nicht fair, das mal zu diskutieren?

Ich fasse es nochmals zusammen:
In der Coronakrise verzichten die Jungen, damit die Alten leben können. Die Rücksicht ist fast grenzenlos, der Respekt auch.
In der Klimakrise ist es genau anders herum. Die Alten sollten die Jungen schützen.
Die einen machen es jetzt schon, die Jungen bringen Opfer.
Ich bin gespannt, ob wir, die Alten, ebenfalls bereit dazu sind. Bislang sehe ich aber noch keinen Respekt der Alten gegenüber den Jungen. Und Rücksicht auch nicht, eher Zynismus und Egoismus.

Ich bin kein Optimist. Und diesbezüglich schon gar nicht.
Fair ist das übrigens nicht. Und rücksichtsvoll schon gar nicht.

Hier ein Link zum Coronavirus-Update mit Prof. Drosten.