Voll fiese Fliesen

Gräbendorf.
Mal wieder in Gräbendorf in der Datsche.
Nach Jahren der Konzentration auf Garten und Terrassen ist nun einmal das Haus dran. Das Gartenhäuschen besteht aus mehreren Architekturelementen. Angefangen wurde es als Zinnplatten-Variante der 1940er, in den damals modernen Linien des Darbenden, die sich bis 1945 noch verfeinerten.
Mein Opa, Jahrgang 1899, nutzte, damals en Vogue, alles, was er als Schlosser bekommen konnte. Eben Zinnplatten. Unverwüstlich, und bis heute dicht.
Dann folgten die Jahre der Besetzung. Ein Ehepaar, das von meinen Nachbarn als „Hunderprozentige“ bezeichnet wird, erweiterte den schlichten Bau im düster-sozialistischen Stil. Fenster waren klein und sachgemäß, die Materialien Holz und Nagel, so wie es üblich war. Der sparsame Gebrauch von Farbe war zeitgemäß, Mangel als Lebenssinn sozusagen.

Anfang der 90er dann die Befreiung.
Wir Wessis übernahmen das Grundstück wieder. Die Zeit des Wildwachstums im Garten war vorüber, dafür ging er im Haus weiter. Hier und da verschönerten meine Eltern das Gebäude, manches wurde verschlimmbessert, denn irgendwie waren Mama und Papa im brutal-rustikalen Stil der 80er gefangen geblieben. Decken wurden mit Styropor-Platten geschmückt und so verklebt, dass sie nie wieder abgenommen werden würden.
Das Dach erlitt eine Erhöhung, was dazu führte, dass es undicht wurde und mehrfach ausgebessert werden musste.
Das Glanzstück aber ist eine Art Wintergarten, errichtet im Jahre 2003, und zwar so schnell, dass, ebenfalls Ausdruck der Thomsschen Sachlichkeit, Statik und Dichtigkeit nur eine untergeordnete Rolle spielten.
Es war das Spätwerk dieser Generation.

Nach vollständiger Übernahme des Grundstücks durch meine Oma im Jahr 2004, auch bekannt unter der Epoche der totalen Verbuxbaumung des Gartens, litt das Gebäude lange Zeit, denn irgendwie war es niemandem wichtig.
Auch nach ihrem Tod 2009 und der damit verbundenen „Vermietung“ an die Familie eines wandernden Hornbläsers wurde es nicht besser. Teile der Wände wurden herausgerissen, auch tragende Teile. Doch wie durch ein Wunder blieb das Haus stehen.

Erst im Jahr 2016 kam die Rettung.
Ich übernahm jetzt die Verantwortung, verscheuchte die Familie des Hornbläsers, der sich noch einmal kurz rächte und alles ausbaute, was nicht niet- und nagelfest war.
Ein Segen, wie sich herausstellte, denn nun hatte ich freie Bahn zur freien Entfaltung.
Eine lange Geschichte des Gartens und der vollständigen Umgrabung und Abholzung erspare ich meinen Lesern jetzt.

Es sieht gerade aus. Ist es aber eher nicht.

Dieses Jahr jedenfalls mache ich mich an die Sanierung der Böden. Und teilweise der Wände. Will heißen, ich habe schon viel gestrichen. Von nun an wird aber auch gefliest.
Die Böden sind an vielen Stellen in erbärmlichem Zustand. Holz auf Erde macht sich nicht gut, schon gar nicht, wenn dieser Umstand einige Jahrzehnte andauert. Also riss ich das schwammartige Material, das einst Holz darstellte, heraus und goss es mit Betonestrich aus. Trotzdem war der Boden natürlich nicht glatt. Zu allem Überfluss neigte sich ein Teil des Bodens etwas in Richtung Wand.

Als ich mit dem Fliesen begann, musste ich diese Unwucht mit Fliesenkleber ausgleichen. Und scheiterte grandios.
Fliesen neigten sich mal in die eine, dann in die andere Richtung. Abstandshalter fielen um oder ganz heraus, Platten schwammen in der Masse umher, so dass ich bald in Panik geriet.

Aber es half nichts.
Weiter.
Immer weiter.
Ich lernte aus meinen Fehlern. Oder auch nicht. Jedenfalls erreichte ich irgendwann ruhigere Gewässer. Je weiter ich in die Mitte des Gebäudes vorrückte, desto ebener wurde der Boden. Und siehe da, es wurde auch leichter. Die Unwuchten meiner Arbeit mäßigten sich allmählich, so dass ich jetzt die Hälfte des Flures gefliest hatte. Dann brach ich ab, der Raum wird auf der anderen Seite ja noch genutzt, bzw. dient als Weg zu Küche und Bad. Ich mache es also immer so, dass ich noch bequem laufen kann.
Schließlich muss ich hier noch wohnen.

In den nächsten Wochen und Monaten werde ich mich also darauf konzentrieren, das Haus innen bewohnbarer zu machen, ohne dabei die einzelnen Stilelemente zu entzaubern. Behutsame Rekonstruktion zur Moderne sozusagen.
Es ist eine Scheißarbeit (sorry für den Ausdruck, aber mir fallen noch schlimmere ein).

Heute jedenfalls ist Sonntag. Ehefrau Nina wagt es mal wieder her, so dass ich etwas Pause habe.
Wird mir guttun nach dem furchtbaren Tag gestern.

Aber eigentlich sieht es ganz gut aus, besser jedenfalls als der 30 Jahre alte Teppich. Darunter habe ich noch älteren PVC-Boden entdeckt.
Man, man, man.
Und abdichten werde ich das Haus auch noch. Es geht irgendwie voran. Und endet doch nie.
Aber das wäre auch langweilig.

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