Voll unentschlossen

Ein Tag, an dem ich kein Thema finde, über das ich schreiben möchte.
Es gäbe so viele. Die Tatsache, dass der Präsident der Vereinigten Staaten seine Niederlage noch immer nicht eingestanden hat. Und dass er offensichtlich keine Lust mehr darauf hat zu arbeiten, obwohl das Virus in seinem Land wütet wie in keinem anderen. Ich könnte über den Brexit schreiben. Der ist vollzogen, doch stocken die Verhandlungen über einen Deal derartig, dass es zu einem No-Deal-Szenario kommen wird, wenn nicht bald etwas geschieht. Die Übergangsphase endet jedenfalls Ende Dezember. Da ich persönlich der Auffassung bin, dass Großbritannien keinen Deal verdient hat, vor allem wegen des nun seit vier Jahren anhaltenden Tobsuchtanfalls der führenden Politiker dort, bin ich nicht sicher, was ich dazu sagen soll. Ein Deal wäre natürlich besser. Trotz allem.
Fußball.
Das ist immer gut.
Deutschland hat gestern 0:6 gegen Spanien verloren. Also gegen Spanien kann man verlieren. Aber nicht 0:6. Sechs Tore. Gegen die hochgelobte Bayern-Abwehr. Die gleiche, die noch vor ein paar Wochen Barcelona mit 8:2 abgefertigt hat.
Jetzt sind natürlich die Rufe nach einem Rücktritt von Joggi Löw laut. Der ist als Trainer bzw. Co-Trainer schon länger dabei als unsere Bundeskanzlerin. Aber mal ehrlich, vielleicht sollte man lieber mal einige junge Herren auf dem Platz befragen, was sie dort gemacht haben. Und nicht den älteren, der neben dem Platz steht. Neben sich haben gestern jedenfalls eine Menge Leute gestanden.
Aber das ist mir eigentlich auch keinen Artikel wert.

Was also schreiben, wenn um einen herum alles brennt?
Ich könnte schreien. Hysterisch. Über die Verrohung überall. Oder die Verdummung. Oder die Scheinheiligkeit.
Aber ich habe keine Lust darauf. Weil ich eben nicht hysterisch schreien möchte. Und schon gar nicht über diese Hysterie schreiben will. Manchmal ist das gut und richtig. Auf der anderen Seite: Die Dinge sehen für mich an Tagen wie diesen so sonnenklar aus, so schwarz und weiß, so richtig und falsch, dass ich beinahe jedes weitere Wort für überflüssig halte.
Muss man sich wirklich damit auseinandersetzen, dass ein eindeutiger Wahlverlierer nicht einsehen möchte, dass er die Wahl verloren hat? Oder dass ein Land, das aus der EU austreten möchte, nicht gleichzeitig die Errungenschaften derselben genießen darf, ohne die gleichen Pflichten zu tragen? Oder dass eine Großdemo gegen Corona (??) in Berlin mal wieder eine schlechte Idee ist? Und dass man mal wieder vollkommen überrascht sein wird, dass sich dort niemand an Hygiene-Konzepte halten möchte? War ja die drei Dutzend Mal vorher auch so. Trotzdem kommt das immer wie aus heiterem Himmel.

Ich weiß nicht warum, aber ich frage mich manchmal, warum eigentlich die meisten Nachrichten schlecht sind. Ich möchte heute mal nur gute Nachrichten. Also habe ich den Wetterbericht geöffnet, weil dort vor zwei Tagen noch ein sonniger Tag angekündigt wurde. Aber wie es an einem solchen Tag so ist, habe ich auch hier schlechte Nachrichten erhalten. Zwölf Grad, bewölkt. Also überlege ich mir, mich wieder hinzulegen und/oder eine Flasche Wein zu trinken. Halb elf ist sicher nicht zu früh dafür.
Oder?

Mache ich natürlich nicht.
Es wird nicht gekniffen.
Aus einem Grund: Ich habe den Eindruck, dass wir im Moment nur durchhalten müssen, dann wird schon alles gut werden. Ich glaube das wirklich. Nur das Warten darauf, nach vielen Jahren des ungesunden Wahnsinns, ist inzwischen fast unerträglich geworden. Fassen wir zusammen: Trump ist abgewählt. Nur leider noch bis Januar im Amt. Der Brexit ist ebenfalls fast vollendet. Durch den neuen Präsidenten Biden in den USA ist Großbritannien unter enormem Druck, schnell eine Lösung mit der EU zu finden. Und Corona? Impfstoffe werden wie Regentropfen auf uns niederfallen und die Viren erschlagen. Noch nicht jetzt, aber in ein paar Wochen wird es losgehen. Nicht als Starkwetterereignis, sondern erst einmal als Nieselregen. Aber immerhin.
Nur die Covidioten werden nicht verschwinden. Ebenso wenig wie die Trumpisten. Oder die Brexitears.
Aber man kann nicht alles auf einmal bekommen.
Trotzdem sind das insgesamt gute Nachrichten. Nur brauchen die eine Weile, um sich vollkommen zu verwirklichen. Doch die Effekte werden bald eintreten.
Bis dahin muss ich geduldig sein. Es fällt mir schwer.
Ist aber nicht zu ändern.

Jetzt ist es schon nach elf Uhr. Kann ich jetzt den Rotwein öffnen?