Voll Run on Vaccine
Beinahe ungefragt habe ich am Samstag ein Attest von meinem Hausarzt zugeschickt bekommen. Es ist rudimentär und besagt nur, dass ich laut Paragraph 3 Ziffer 2 der Impfordnung zu der Gruppe der Menschen mit chronischer Erkrankung gehöre. Der Grund dazu fehlt, aber das ist wahrscheinlich aus Datenschutzgründen normal.
Weiter bin ich jetzt allerdings auch nicht. Auf einer Internetseite des Berliner Senats habe ich erfahren, dass eigentlich alle Impfeinladungen für meine Impfgruppe schon abgesendet wurden, mich aber haben sie anscheinend vergessen. Ebenso eine Bekannte, bei der eine Impfung noch notwendiger wäre als bei mir.
Jetzt geht also die Jagd nach einem Impfcode los. Und dann, wenn ich den habe, nach einem Impftermin. Ich denke, dass diese Tätigkeit einen Teil meiner Zeit in Anspruch nehmen wird, vielleicht nicht unbedingt quantitativ, aber seelisch, denn meine Unruhe steigt im Grunde minütlich. Denn eine Entwicklung bereitet mir ein wenig Unbehagen, nämlich die immer lauter werdende Forderung nach einer Abschaffung der Impfreihenfolge. Das heißt im Grunde, dass dann jeder versuchen wird, sich eine Dosis des viel zu knappen Impfstoffes zu sichern. Ich möchte mir nicht einmal vorstellen, was das bedeuten würde. Mit den letzten Resten von Solidarität wäre es dann wahrscheinlich vorbei. Vom gesellschaftlichen Zusammenhalt, der in meinen Augen ohnehin schon erodiert ist, einmal abgesehen.
Für Ehefrau Nina und mich bedeutet das, dass wir in den nächsten Tagen versuchen werden, uns um die Impfcodes zu bemühen. Wir könnten Anrecht auf einen haben, weil wir Pfleger/in von Schwiegermutter Ellen sind. Komisch, dass wir auf diese Idee nicht schon längst gekommen sind. Mal sehen, ob wir auf diese Weise weiterkommen. Was Ehefrau Nina betrifft, so glaube ich, dass sie ohnehin bald von ihrem Betriebsarzt geimpft werden wird, sobald diese auch mit Impfstoffen versorgt werden. Noch steht es in den Sternen, wann das geschehen würde, aber ich denke, dass es Anfang des Sommers so weit sein wird. Denn mit den Impfzentren alleine, von denen wir in Berlin sechs haben, die jeweils ca. 3500 Impfungen vornehmen können, kommen wir nicht weit. Mein Hausarzt scheint hingegen nicht zu impfen. Anders kann ich zumindest das Zusenden des Attests nicht verstehen. Da ich ihn telefonisch seit Tagen nicht erreichen kann, hatte ich ihn vor einer Woche via Email gefragt, ob er impft. Daraufhin schickte er das Attest. Merkwürdig, das alles, aber wahrscheinlich ist das seine Art, zeitsparend Fragen zu beantworten. Es ist schade, ich wäre lieber von ihm geimpft worden. Weniger Redtape. Aber damit müssen wir nun zurechtkommen.
Update, einige Stunden später:
Der Pflegedienst hat uns tatsächlich zwei Impfcodes zukommen lassen. Es dauerte keine halbe Stunde.
Das Buchen der Impftermine hingegen war eine zeitintensive Angelegenheit. Zu meinem Erschrecken waren im Internet erst Ende Juni Termine frei. Aber immer wieder, nach dem Neuladen des Browsers, poppten frühere Termine auf, wahrscheinlich durch Kündigungen von Anderen. Leider war es dann nicht so einfach, diese auch zu buchen. Manchmal kam ich bis zum letzten Schritt, nachdem ich sogar den Code schon eingegeben hatte, flog dann aber unverhofft wieder aus der DocLib-Buchungsmaschine. Ich glaube, ich saß drei Stunden vor dem Monitor. Einmal hatte ich sogar einen Termin am 30.4., auch der verschwand viel zu früh wieder von der Bildfläche.
Die Ironie des Schicksals wollte es am Ende, dass Ehefrau Nina, die neben der Buchung noch arbeitete, beide Termine für uns sichern konnte. Ich bin am 12.6. an der Reihe, in der Arena in Treptow, Ehefrau Nina am 19.6. in der Messehalle am Funkturm. Es ist fast schon ein bisschen witzig.
Letztlich sind es doch noch einige Wochen hin bis zur Freiheit, aber im Juli haben wir dann alles hinter uns.
Es ist ein Lichtblick. Ein bedeutender.
Bis dahin werden wir uns weiter schützen. Und danach sicher auch noch eine Weile.