Voll öde

Ich sitz in meinem Ponker, mitten in Berlin.
Ich habe Klopapier und genug Koffein.
Ich steh allein da,
mir bleibt nur Daisy (Katze) und eine Flasche Rosé (die ich gestern ausgetrunken habe)
Eine Anspielung auf Walter Moers‘ Comic-Verfilmung, angelehnt an den Film „Der Untergang“.

Nun, untergehen werden wir nicht.
Aber ich zumindest stehe etwas auf dem Schlauch.
Ich bewege mich kaum noch von der Stelle. Manchmal überlege ich, ob ich ein paar Meter in Richtung Balkon gehen sollte (ungefähr zwei Meter), dann aber erscheint mir diese Handlung als zu riskant. Außerdem regnet es, ist somit so unangenehm, dass es sich sowieso nicht lohnen würde. Alles, was ich erreichen könnte, wäre enttäuschend.
Also bleibe ich sitzen. Und starre auf den PC. An Arbeiten ist nicht zu denken. Daher stelle ich mir die berechtigte Frage: Warum mache ich das eigentlich?

Aber auch auf Anderes habe ich keine Lust. Beziehungsweise keinen Antrieb. Auf meinem Arbeitstisch liegt Stoff. Der müsste eigentlich zugeschnitten werden. Um aus den Zuschnitten neue Masken zu machen. Auch damit komme ich nicht voran. Meine alten Masken sind … alt. Und sicher verkeimt. Also brauche ich neue. Da ich aber nicht rausgehe, brauche ich die doch nicht, oder? Und wenn ich doch mal rausgehen möchte? Kann ich nicht, denn ich habe keine neuen Masken. Schwierig. Henne und Ei. Eine verzwickte Situation. Für die ich nichts kann. Und aus der ich nicht herausfinde.
Die Sache ist aber auch: Selbst wenn ich rausgehen könnte, wo soll ich denn hin? Zu Karstadt vielleicht. Gibt es wirklich einen Grund, zu Karstadt zu gehen? Mir fällt keiner ein. Mir ist noch nie einer eingefallen. Außerdem: Wie traurig ist es, dass ein Besuch bei Karstadt Tempelhof zum unerreichten Tageshighlight werden kann?
Kaum auszudenken.

Um hier nicht vollständig die Nerven zu verlieren, habe ich vor einigen Tagen angefangen, wieder einmal Assassins Creed Origins zu spielen. Abgesehen von der Tatsache, dass es ein Third Person Ego Shooter ist, in dem man im Grunde einen Massenmörder spielt, der es in einem Rutsch auf gut und gerne 10.000 Kills bringt, ist das Setting einmalig. Das Alte Ägypten. Also nicht mehr ganz so alt, denn es spielt während der Zeit Cleopatras. Aber die Pyramiden sind noch ziemlich intakt, auch wenn sie schon sichtlich bröckeln. Ebenso wie die Tempel, von denen viele, Tausende Jahre alt, schon im Sand versinken.
Die Landschaft aber ist atemberaubend (darf man das eigentlich während der Pandemie noch sagen?). Die Wüste ist sandig und weit, der Nil liegt vor einem, während einfache Ägypter das machen, was alte Ägypter eben damals gemacht haben. Es ist kompliziert. Sie machen nicht alle das Gleiche.
Manchmal lasse ich Bayek, den Protagonisten, einfach durch die Wüste reiten. Oder, noch besser, ich lasse Senu steigen, Bayeks Adler, der sich aufschwingen kann in die Lüfte. Ein unglaublicher Anblick. Eine Weite, die ich selbst am PC beinahe spüren kann. Auch die feuchte Hitze, die vom breiten Nil ausgeht. Oder die sengende Hitze, wenn man sich einige Meter vom Wasser entfernt.
Es klingt sicher deprimierend, aber so etwas hält mich im Augenblick am Leben. Einfach etwas anderes sehen.

Außerdem habe ich angefangen, Hörbücher zu hören. Meine Fantasie scheint nicht nur an visuelle Reize gebunden. Auch auditiv komme ich inzwischen gut zurecht, was für mich eine Überraschung darstellt. Ich hatte das Glück, Hörbücher zu hören, in denen der Schriftsteller es geschafft hat, die Umgebungen, in denen sich die Protagonisten befinden, sehr bildlich zu beschreiben. Vielleicht etwas, an dem ich als Schriftsteller noch arbeiten kann.
Ich habe von Zafon „Die Schatten des Windes“ gehört. Und bin eingetaucht in die unendlichen Gründe Barcelonas, das ich nur ein bisschen kenne. Auch „Oblomov“ habe ich gehört. Hier war nicht so sehr die Umgebung wichtig, sondern eher die Lebensweise. Ich liebe russische Literatur. Der Humor ist so fein, die Ironie so versteckt, dass man schon genau hinhören muss. Beinahe könnte ich der Zensur, die dort immer geherrscht hat, dankbar sein, dass sie so etwas hervorgebracht hat. Denn die Schriftsteller wie Dostojewski, Bulgakow oder Gontscharow haben sich ihrer entzogen. Und trotzdem gesagt, was immer schon gesagt werden musste.
Gerade höre ich Zafon, „Der Gefangene des Himmels“. Wieder Barcelona.
Es ist eine Art Flucht aus meinem engen Zimmer.

Irgendwie fühle ich mich jetzt besser.
So eng ist das alles gar nicht. Man muss nur seine Fantasie etwas beflügeln. Und die funktioniert noch so wie immer.
Also, weiter im Text.
Und nur nicht nach hinten schauen.
Vorne deutet sich schon das Licht am Ende des Tunnels an.
Pfizer sei dank.
Hätte nie gedacht, dass ich so etwas mal schreiben würde.

Nur ein Hinweis: Dieser Text ist nicht 100%ig ernst gemeint.