Voll wirres Reisegeschnipsel

Ich sitze gerade vor dem PC und checke Flüge.
Ich weiß nicht, warum, aber es ist so. Vielleicht ist es doch langsam das Fernweh, das mich packt, nach einem Sommer, in dem ich mit allen Mitteln versucht habe, diesen unbändigen Drang zu unterdrücken. Mit körperlicher Arbeit auf unserem Grundstück und den eventuellen Aussichten, es dieses Jahr vielleicht doch noch zu wagen fortzufahren.
Bekanntlich wurde nichts daraus.
Bis jetzt.
Und wird auch nichts mehr. Trotzdem ist es irgendwie interessant herauszufinden, wo ich überhaupt noch hinfliegen könnte. Das ist gar nicht so leicht.

Am häufigsten fliege ich mit Easyjet. Ist sicher nicht die bequemste Art zu reisen, aber ich hatte in all den Jahren noch nie Schwierigkeiten. Selbst dieses Jahr nicht, die Gesellschaft hat alle stornierten Flüge klaglos erstattet und uns in einem Fall einen gewünschten Gutschein zugesandt.
Also tummelte ich mich heute auf der Easyjet-Buchungsseite. Nur um nachzusehen, was geht. Und was nicht.
Die Antwort fällt übrigens ziemlich ernüchternd aus: Es geht fast nichts.
Beinahe scheint es so, als ob Easyjet für den Monat November in eine Art Früh-Winterschlaf verfällt. Zumindest von Berlin aus.
Die Strecken, die ich dabei testete, waren alle nicht verfügbar. Athen, Bordeaux, Sevilla. Also nichts Außergewöhnliches.
Ich muss zugeben, dass mich das schockiert hat. Nicht dass ich gebucht hätte, dazu besteht nun wirklich kein Anlass, doch der Gedanke daran, wann immer ich will ausbrechen zu können, wenn ich denn wollte, hat eine enorme Delle bekommen.
Was mich dann aber wieder beruhigt hat: Ryanair bietet das alles noch an, witziger Weise in Zusammenarbeit mit anderen Airlines.
Hier könnte ich noch fast ganz Europa besuchen, zu Spottpreisen übrigens, auch wenige Tage vor dem Abflug noch.
An so etwas erfreue ich mich, stelle mir vor, diese Orte zu besuchen. Auch über Kasachstan habe ich gelesen, mir schon mal Hotels in der Hauptstadt angesehen. Ob das so interessant ist, weiß ich nicht, denn das sind alles nur akademische Zeitvertreibungen. Manche würden es als Zeitverschwendung bezeichnen. Und das vollkommen zurecht.

Und doch hat diese geografische Übung etwas Beruhigendes. Es ist keine Selbstqual, weil ich nicht auf die Kykladen komme oder nach Andalusien, um dort dem strengen (oder inzwischen eher milden) Berliner Winter zu entfliehen. Sondern eher Befriedigung von Neugier, bei der Vorstellung von: Was wäre wenn?
Aber es müssen nicht nur neue Regionen oder Länder sein.
Ich habe mir heute auch mal die Mühe gemacht, meine Reise ins Périgord von 2018 nachzuvollziehen. Einfach auf Google Maps die Orte nochmal besucht, die ich schon eine Weile wieder vergessen hatte. Ich kann mich ziemlich lebhaft erinnern. Auch die Bretagne-Reise von 2015 „laufe“ ich online manchmal nach und frage mich, warum ich damals kein Fahrrad dabei hatte. So manch lange Wartezeit auf einen Bus wäre mir erspart geblieben.
Ich gehe nämlich so weit, die Strecken, die ich damals zurückgelegt habe, anders nachzuvollziehen, also mit anderen Verkehrsmitteln. So etwas verändert eine Reise vollständig. Hätte ich ein Auto dabeigehabt, wäre vieles einfacher gewesen. Und trotzdem auch weniger zauberhaft, weil Orte einfach ihre Magie verlieren, wenn man sie zu leicht erreichen kann. So zumindest empfinde ich es.

Man stelle sich die Reise ins Périgord einmal vor. Mit dem Fahrrad, einem 200-Euro-Drahtesel mit sechs Gängen, habe ich die Berge „bezwungen“, also eher schnaufend mein Rad hinaufgeschoben. Was wäre also aus der Reise geworden, wenn ich ein Auto gehabt hätte? Zugegeben, es wäre leichter gewesen. Doch hätte ich die einmalige Landschaft so sehr genießen können?
Keine Ahnung.
Mit solchen Gedanken beschäftige ich mich manchmal. Sie ersetzen die Erlebnisse, die ich dieses Jahr nicht hatte. Und es sind keine schalen Erinnerungen, zumindest noch nicht. Denn ich fühle mich danach nicht mehr so getrieben, dem Drang nach Reisen nachzugeben.

Wie lange das anhält, weiß ich nicht.
Denn wahnwitzige Ideen pressen sich in den Vordergrund. Ich wollte schon immer mal einen Winter auf den Kykladen verbringen. Einfach um zu sehen, wie das ist. Oder auf dem Peloponnes, vielleicht bei Koroni, einem Ort, der ein bisschen wie Aegiali wirkt.
Ich weiß selbst, dass dieses Jahr nicht die Zeit dafür ist.
Aber ein bisschen träumen will ich trotzdem davon.
Es muss ja nicht Kasachstan sein. Ein Land, auf das ich nur wegen des neuen Borat-Filmes gekommen bin. Und das ich nicht wirklich besuchen möchte. Aber wer weiß?
Manchmal genügt ja nur ein Funke, eine kleine Information, um Interesse zu wecken.
Und Hotels habe ich ja nun schon mal nachgesehen.
Ist wenigstens ein Anfang.

Hier ein Link zum Coronavirus-Update mit Prof. Drosten.