Voll in die Ferne
Dank Hefe-Mangel musste ich gestern eine Corona-Pizza backen. Der Teig war mit Backpulver angereichert, so wurde die Pizza praktisch eine Pita-Pizza. Das Experiment ist durchaus eine Alternative, vor allem wenn man den Teig vorher in der Pfanne „brät“, zumindest auf einer Seite. Dann wird es ziemlich krustig. Alles in allem war es eine gelungene Aktion. Aber das ist nicht der Grund für den heutigen Blog-Eintrag.
Heute Morgen las ich im Griechenlandforum „In Greece“ einen Thread zum Thema Urlaub. Bei den Teilnehmern des etwas antiquiert wirkenden Forums handelt es sich um vollkommen durchgeknallte Liebhaber der griechischen Kultur und des Landes. Also Leute wie ich. Jemand stellte die These auf, dass es wohl 2020 nicht mehr zu Reisen in das Land der Götter kommen wird, zu schwer wirkt der Virus, zu unvorhersehbar sind noch immer die Folgen. Die ersten Antworten kamen prompt, Entrüstung war der Haupt-Tenor.
Was erlaube sich Forist?
Viele brachten ihren Unmut zum Ausdruck. Niemand wollte sich den Urlaub verderben lassen.
Mein erster Gedanke war: Haben die keine anderen Probleme? Hier sterben Menschen. Oder werden ernsthaft krank. Oder verlieren die Arbeit, ihre Zukunft.
Beim weiteren Nachdenken änderte sich aber meine Meinung und auch die einiger Foristen. Es geht hier gar nicht um Urlaub. Oder um Griechenland selber. Ich denke, den meisten geht es um etwas ganz anderes.
Täglich werden wir mit Horror-Szenarien gefüttert. Zahlen geistern durch die virtuellen Tageblätter, Aussichten von Quarantäne und Isolation werden immer realer. Und das sind dieser Tage noch die guten Nachrichten, denn wir befinden uns im paradiesischen Teil der Welt, in der immenser Reichtum herrscht. Langsam aber beginnt auch die Realität durchzusickern, dass es in Ländern der zweiten und auch der dritten Welt wohl noch 100 Mal schlimmer werden wird. Wer gestern die Bilder aus Indien gesehen hat, wo sich Tausende von Wanderarbeitern in Züge und Busse gedrängt haben, wird den Eindruck nicht los, dass wir in Europa wohl noch recht glimpflich davonkommen werden. Wer jetzt auch nur ein bisschen weiterdenkt, entschleiert Bilder vor seinem geistigen Auge, die er ganz sicher nicht sehen will. Doch eines hat sich in dieser Krise immer bewahrheitet: Es kommt so, wie die Experten es voraussehen. Und die verbreiten nicht gerade Optimismus, was die Aussichten in ärmeren Teilen der Welt angeht.
Kann man es Leuten also verdenken, dass sie sich mit dem Thema Urlaub auseinandersetzen? Dass sie ein bisschen von der Schönheit träumen? Von dem Meer, einer einfachen Mahlzeit in einer Taverne, einem Glas Ouzo in der Strandtaverne oder einem griechischen Kaffee in einem Bergdorf? Allein jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, geht es mir gut. Ich erinnere mich daran, an den Strand in Kamares auf Sifnos. Oder an Aegiali auf Amorgos. Oder Chora auf Serifos, diese weiße Stadt auf einem spitzen Berg. Ich könnte das unendlich fortführen.
Der Effekt? Zukunft. Und Hoffnung. Und das ist es, was jeder Mensch braucht. Es ist kein Verbrechen, sich genau das zu suchen. Niemand muss sich schuldig fühlen, wenn er mal der unangenehmen Realität entflieht, und sei es nur für ein paar Augenblicke, in denen er Pläne für die Zeit danach schmiedet.
Manche Foristen sprachen sogar davon, schon die Flüge für den Herbst zu buchen. Ich muss gestehen, dass ich noch nicht so weit bin. Immerhin hat Ehefrau Nina noch eine Anreise nach Athen, die weiterhin offen ist. Und zwar für Mitte Juni, Rückreise Anfang Juli. Daraus wird sicher nichts. Die Sache ist auch: Ich habe keine Flüge, weil ich eigentlich schon im April, besser gesagt übermorgen, abreisen wollte. Aber ich buche jetzt ganz sicher keine Flüge für Juni. Das ist zu optimistisch. Vielleicht für September. Ich werde das in den nächsten Tagen mal ansprechen. Ein bisschen Urlaubsaussichten können nicht schaden. Vor allem wenn ich aus dem Fenster sehe, um den ersten Schnee in diesem Winter zu betrachten.
Es ist Ende März.
Frechheit.
Aus dem Forum „In Greece“ habe ich übrigens ein paar Tipps für TV Sendungen bekommen. Katerina von nissomanie.de (wirklich zu empfehlen, gut geschrieben, grandios als Reisevorbereitung) ist auf folgende Sendung gestoßen:
Ich sehe sie mir heute Abend an. Lieber virtuell reisen als gar nicht.
Oder?
Hier ein Link zum Coronavirus-Update mit Prof. Drosten.