Voll Advent?

Au weia, das ging dieses Jahr aber schnell vorbei.
Von mir fast unbemerkt hat sich die Weihnachtszeit eingestellt. Und wie es eben so ist in 2020, fühlt sich nichts normal an. Dabei frage ich mich allerdings, ob es in den Jahren zuvor stimmungstechnisch bei mir anders gewesen ist. Ich kann mich nicht erinnern.
In jedem Fall ist es anders. Denn Traditionen, die wir in den letzten Jahren langsam aufgebaut haben, sind dieses Jahr ausgefallen.
Zum Beispiel der Besuch des Weihnachtsmarktes in der evangelischen Kirchengemeinde in Tempelhof. Auch wenn Ehefrau Nina und ich keinen Draht zur christlichen Kirche haben, gehen wir trotzdem am ersten Advent immer gerne zum Weihnachtsmarkt, auch weil der mit nichts zu vergleichen ist. Der Witz ist, dass er sich in den vier einhalb Jahrzehnten, in denen ich ihn kenne, kaum verändert hat. Es lagen sicher 20 Jahre zwischen einigen Besuchen, trotzdem fühle ich mich immer in eine andere Zeit versetz, wenn ich dorthin gehe. Noch immer gibt es jedes Jahr eine Tombola, was ich faszinierend finde, denn in dieser Hinsicht hat sich wirklich seit den 70ern (oder länger, das weiß ich nicht) nichts bewegt. Immer noch kann man Lose kaufen, in vier Farben, von denen am Ende nur eine Farbe gilt. Pro Stück ein Euro, glaube ich. Nun, wenigstens haben sie die Währung angepasst, ein Fortschritt, der sicher zu heftigen Diskussionen im Gemeinderat gesorgt hat.
Auch findet jedes Jahr ein Trödelmarkt statt. Dort wird ganz sicher der Ramsch verkauft, der im letzten Jahr nicht verkauft wurde, was dazu führt, dass ich Sachen wiedererkenne, die meine Eltern mal in den 80ern gespendet haben. Bis jetzt habe ich widerstanden, sie zu kaufen.
Ich übertreibe natürlich maßlos. Aber manche Gegenstände sehen wirklich so aus, also ob sie schon Jahrzehnte alt sind.
Auch gibt es immer Glühwein am gleichen Ort. Und Bratwürste.
Immer selbst gebackene Kekse zu kaufen.
Und Crêpe ebenfalls.
Und ganz oben Kuchen, auch wenn man keinen Platz bekommt, denn die Omas und Opas haben die Stühle bereits mit ihren Rollatoren reserviert, wahrscheinlich schon Stunden vor Beginn der Veranstaltung.
Egal.
Auch der Weinstand samt Sitzgelegenheiten im zweiten Stock, seit den 70ern im gleichen Raum, ist solch ein Ort der Nostalgie. Hier haben sich schon meine Eltern in jungen Jahren immer am ersten Advent volllaufen lassen. Und das schon nachmittags. Man gönnte sich ja damals sonst nichts.
Das also ist dieses Jahr ausgefallen.
Ich glaube, es gibt sicher so manches Gemeindemitglied, das noch immer schockiert ist.

Was in Tempelhof abgesagt wurde, findet auch berlinweit nicht statt. Weihnachtsmärkte sind gecancelt. Wahrscheinlich im ganzen Bundesgebiet. Ich bin generell kein großer Freund von Weihnachtsmärkten, gehe aber ab und zu gerne mal zu bestimmten Veranstaltungen. In Marienfelde zum Beispiel fand bis jetzt ein ziemlich rustikaler statt. Aber der war letztes Jahr schon überlaufen, hatte seinen Geheimtipp-Status wohl endgültig verloren. Auch in Dahlem waren wir manchmal. Nett. Und etwas ungewöhnlich.
Ich habe dieses Jahr gelesen, dass auch einer in Kladow hätte stattfinden sollen. Ich war noch nie in Kladow. Vielleicht dann nächstes Jahr.
Fakt ist, dass dieses Jahr alles wesentlich ruhiger werden wird. Auch die hektische Einkaufszeit werden wir anders gestalten. Nämlich mal in dreister Vorplanung. Eigentlich kein schlimmer Gedanke. Ach ja, Amazon empfiehlt, dieses Jahr frühzeitig Geschenke zu bestellen. Ich werde diese Info jetzt auf diesem Weg an unsere Geschenke-Beauftragte des Hauses weitergeben, also an Ehefrau Nina, die hier hoffentlich mitliest (sicher bin ich mir diesbezüglich aber nicht, die passive eheliche Kommunikation via Corona-Blog schleift manchmal ein bisschen).

Ansonsten gilt:
Willkommen zu Corona-Weihnachten. Stille Nacht, einsam Wacht.
Und wirklich, so still war es noch nie. Und auch ein bisschen einsam.
Vielleicht hat das auch seine Vorteile, können wir doch dieses Jahr in dieser Zeit wirklich mal zur Ruhe kommen. War es in früherer Zeit nicht einmal so gedacht? Vielleicht.
In jedem Fall sollten wir die Zeit dieses Mal für uns selber nutzen. Und das Beste aus der Situation machen.