Voll draußen
Ich bin draußen.
Und das empfinde ich als wirklich großes Glück.
Nach einem düsteren halben Jahr in Berlin bin ich wieder in Gräbendorf auf dem Datschen-Grundstück, zwar nicht das erste Mal, trotzdem ist es anders. Vor gut einem Monat habe ich zwei warme Februartage ausgenutzt, kurz nach der Eiszeit, die uns seltenerweise in Berlin mal erreicht hatte, aber damals schien es nur wie ein verbotener Ausflug. Und das aus zwei Gründen: Erstens war es wirklich nur eine kurze Episode inmitten des Winters, zweitens fühlte es sich trotz der kurzzeitigen Wärme nicht so an wie Frühling. Und das ist heute anders. Es sind 15 Grad, die Sonne scheint und die ersten Knospen sind an den Sträuchern zu sehen. Die Forsythien treiben ihren gelben Schmuck aus, dabei kann ich fast zusehen, überall trillert es, denn die Vögel sind fleißig zugange. Ich konnte es auch wagen, das Wasser hier anzuschalten, das wird in den nächsten Tagen kein Problem werden, auch wenn ich es Ende der Woche wieder abschalten werde. Sicher ist sicher und ich habe keine Lust auf einen Rohrbruch.
Aber erst einmal bin ich hier. Und kann es fast nicht glauben. Sogar meinen Roman habe ich zurückgelassen, was ein paar Schuldgefühle in mir weckt, aber ich konnte mich nicht dazu durchringen, mich an diesen ersten Frühlingstagen damit zu belasten. Stattdessen werde ich mich darauf konzentrieren, hier einiges auszubessern, soweit ich das körperlich kann. Ich habe mir vor zwei Wochen beim Yoga das Knie verdreht, was mich seither immer wieder zwickt. Heute, nach der Radtour und meinem Werkeln, ist es nicht gerade besser. Ich weiß nicht, wie sehr ich physisch aktiv werden kann, wahrscheinlich sollte ich mich schonen, was mich angesichts der Arbeit, die mich hier erwartet, ein wenig belustigt. Es ist ganz sicher nicht der Ort, an dem ich stillsitzen kann.
Trotzdem beunruhigt mich das etwas. Nicht wegen der Verletzung, die vergeht sicher, aber ich kenne das nicht. Mich hat noch nie etwas längere Zeit an physischen Unternehmungen gehindert. Trotzdem ist es vielleicht das erste Mal in meinem Leben, dass ich spüre, dass mein Körper nicht mehr so agil ist wie der eines 25-jährigen. Alles, was ich in den letzten Jahren getan habe, war aber darauf ausgerichtet, auch das, was ich in den nächsten Jahren vorhabe. In den letzten Tagen ist mir der Gedanke gekommen, dass ich vielleicht nicht mehr monatelang zelten kann, so wie ich es nächstes Jahr vorhabe. Ein Gedanke, der mich erschreckt. Werde ich es schaffen, monatelang mit dem Rad durch Griechenland zu fahren? Gerade heute, nach vielleicht 12 Kilometern, war ich eigentlich schon am Ende. Vielleicht liegt es am Winter, aber wirklich großartig fühle ich mich nicht. Vom Hochgefühl des ersten Frühlingstages mal abgesehen, was nicht zu unterschätzen ist. Viel zu düstere Gedanken an solch einem Tag.
Ich werde jetzt jedenfalls erst einmal 20 Minuten regeneratives Yoga machen, dabei mein Knie schonen und sehen, was Morgen ist. Vielleicht mache ich heute Abend ein kleines Lagerfeuer, Holz ist jedenfalls genug da. Gartenarbeit ebenfalls, aber das nehme ich nicht so genau. Ab und an etwas Unkraut jäten muss reichen, ansonsten ist es hier nicht perfekt. So war es nie gedacht und so wird es nie, sonst wäre dieses Grundstück eine Lebensaufgabe.
Ein wenig hege ich jedenfalls die Hoffnung, dass ich es dieses Jahr mal schaffe, hier ein wenig zu arbeiten. Also nicht nur diesen kleinen Blog zu schreiben, sondern Geschichten und Romane. Gerade zum Beispiel tippe ich mit einer Bluetooth Tastatur in mein Tablet hinein. Es geht ganz gut, die Verbindung ist stabil, auch wenn die dünne Tastatur droht, von meinem Schoß zu rutschen. Aber sei es drum, alles Gewöhnungssache.
Jetzt jedenfalls lasse ich es ruhig angehen, der erste Abend steht vor der Tür. Dank Netflix und Bookbeat wird es ganz sicher nicht langweilig werden.