Voll Influencer

Mal etwas anders. Etwas, das nur sehr bedingt etwas mit Corona zu tun hat, aber vielleicht mehr, als manchem von uns lieb ist.
Ich rede von Influencern.

In den letzten Monaten hatte ich immer mal wieder Gelegenheit und Zeit, mir das eine oder andere Video auf YouTube anzusehen. Und bin dabei natürlich auch auf Influencer gestoßen, also Leute, die professionelle Videos von was auch immer veröffentlichen und damit die Lebensweise von ihren Fans beeinflussen. Oder zumindest von diesen Fans bejubelt werden, denn ob jemand sein Leben umstellt, wenn er solche Videos ansieht, sei einmal dahingestellt.

Der Witz bei YouTube ist, dass je mehr Influencer-Videos man sich ansieht, desto mehr schlägt einem der Algorithmus der Plattform vor. Und so komme ich heute dazu, mal über dieses Phänomen zu schreiben, denn ich empfinde es als inzwischen ziemlich belustigend, wenn man richtig damit umgeht.
Es gibt verschiedene Arten von Influencern, ich will mich heute aber nur auf die beschränken, die ich selbst ein bisschen verfolge. Jemand, dessen Videos ich manchmal sogar bis zum Ende ansehe, ist Gabriel Traveler. Er heißt natürlich anders, aber das ist sein Nutzername auf YouTube. Gabriel macht Videos zum Thema … na … Reisen. Klar. Er zeichnet sich dadurch aus, irgendwo hinzufahren, um sich dann mit einer GoPro oder einer anderen Kamera selbst zu filmen, während er Orte erkundet. Gabriel zeichnet sich dadurch aus, dass er plappern kann. Und das im Grunde ohne Unterlass. Ich würde ihn nicht gerade als kulturelle Quelle nutzen, aber er zeigt immer etwas von den Orten, wie sie real sind. Will heißen: Er spaziert irgendwohin, filmt sich dabei in den Straßen, oder filmt sein Essen in Restaurants, teilt Preise mit. Gerne auch die Hotelzimmer, die meist einfacher Natur sind. Man kann das manchmal sehen. Muss man aber auch nicht, ein Satz, der wohl auf fast alle Influencer zutrifft.

Jetzt aber wird es etwas verrückter.
Ich folge auch Eamon and Bec.
Die beiden inszenieren sich und ihre Reisen, die sie in einem selbst ausgebauten und autarken Wohnmobil unternehmen. Ihre Videos sind professionell, die Bearbeitung wirklich herausragend. Die Inhalte? Ich weiß nicht. Meist handelt es sich um Alltagsgeschichten, Kochen im Camper, Einkaufen, vielleicht mal eine Wanderung, alles in allem eigentlich ziemlich langweilig. Ich schaue mir die Videos immer im Schnelldurchlauf an, inzwischen mehr aus Faszination als aus Interesse. Denn mittlerweile sind sie coronabedingt dazu übergegangen, irgendwo ein Haus zu renovieren. Das muss man sich vorstellen, man sieht jemandem zu, wie er eine Wand von altem Holz befreit. Oder ein paar Leitungen verlegt. Wir reden hier von Hunderttausenden Klicks, die solche Videos erzielen.
Ähnlich ist es mit dem Kanal Trent and Allie, ebenfalls autarke Wohnmobilisten, die gerade eine Holzhütte errichten. Sie kennen Eamon and Beck, von daher haben sie sich wahrscheinlich gegenseitig inspiriert. Oder voneinander abgekupfert.

Die größte Faszination aber habe ich mit einem Kanal hannahleeduggan, Hannah, eine junge Frau Mitte 20, fährt ebenfalls mit ihrem Wohnmobil umher. Und erzählt dabei von sich. Es ist schon fast belustigend, wie Leute sich inszenieren. Ich kann mich nicht erinnern, jemals auch nur auf eine interessante Aktion von Hannah gestoßen zu sein. Es geht ein bisschen ums Essen, abends im Camper zu sitzen und Wein zu trinken und ein paar Geschichten vom Tag zu erzählen. Manchmal näht sie ein bisschen, schleift ein Stück Holz für ein Regal oder wässert ihre Pflanzen im Wohnmobil. Es ist so eintönig normal, dass es beinahe schon wieder grandios ist.

Die Veröffentlichungen auf sämtlichen dieser Kanäle sehe ich mir innerhalb von ein, höchstens zwei Minuten an, klicke durch, nur um zu sehen, wie sich die Sache entwickelt.
Und kann mir einfach beim besten Willen nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die diese Inhalte lechzend wöchentlich verfolgen. Es sind Einsichten in die Leben anderer fremder Menschen, meist vollkommen banal, und dennoch anscheinend interessant genug, um Erfolg zu haben. Ich würde sie als dauerhafte Weekly Soaps bezeichnen, nur ohne Plot und ohne Skandale, zumindest meistens, es sei denn es platzt mal ein Reifen oder jemand bricht irgendwo ein (kommt vor).
Wahrscheinlich hat Corona die Zugriffszahlen dieser Art von Unterhaltung noch erhöht. Aber sei es drum.

Um nicht zu arrogant zu erscheinen, möchte ich auch zwei Influencer-Kanäle vorstellen, denen ich nun regelmäßig folge, und die für mich eine echte Bereicherung sind.
Der Erste ist von Mady Morrisson, auf die man stößt, wenn man „Yoga“ in Google eingibt. Ich weiß nicht, wie sie es geschafft hat, sich an die erste Stelle der Suchergebnisse zu setzen, aber es ist nun einmal so.
Ich habe diesen Sport im August begonnen. Und folge Mady nun fast täglich. Sie stellt auf YouTube kleine Yogaeinheiten vor, die sie gut erklärt und die nicht den ganzen Tag dauern. Also perfekt für die arbeitende Bevölkerung.
Auch den Kanal Breathe and Flow kann ich dabei empfehlen, der ebenfalls aus Yoga-Videos besteht. Sie sind athletischer. Und länger. Jedenfalls stellt das Paar, das nur mit zwei Rucksäcken und zwei Yogamatten durch das Leben reist, eine Art Gesamtpaket für ein alternatives Leben vor. Und veröffentlicht sehr regelmäßig neue Yoga-Videos mit Flows, deren Befolgung mich schon oft an meine Grenzen gebracht haben, was allerdings nicht sehr schwer ist.

So viel also mal zu Influencern. Deren Existenz ich zum einen belustigend finde. Zum anderen aber auch ungemein bereichernd.
Es ist schon eine faszinierende Zeit, mit so großer Auswahl an Möglichkeiten.
Wir müssen es nur lernen, uns aus der Fülle der Angebote das zu nehmen, das uns wirklich nutzt. Zeit also, mal ein paar Kanäle zu löschen.
Und vielleicht ein paar andere zu suchen. So wie Kirsten Dirksen, die alternative Architektur vorstellt. Diese Videos sehe ich gerne. Und auch immer bis zum Ende. Vielleicht das Kriterium, das ich in Zukunft an die Kanäle stellen muss, die ich für meine Influencer halte.
Und beeinflusst sind wir alle. Ob es uns schmeckt oder nicht.
Also können wir das auch akzeptieren und nutzen, was uns Spaß macht.

Hier der Yoga-Flow, den ich bislang am häufigsten praktiziert habe.