Voll Wasser – endlich

Es gießt.
Schon in der Nacht fing es an, das leise Rauschen von stetig fallendem Regen. Es war ungewohnt, beinahe schon beängstigend im Halbschlaf, eine Art vergessene Bedrohung, die vom Himmel kommt.
Nun, so drastisch war es natürlich nicht. Trotzdem ist es merkwürdig. Ein simples Wetterereignis, noch vor wenigen Jahren alles andere als eine Rarität in diesen Breitengraden, wird plötzlich zu einem Blog-würdigen Ereignis.
Aber das hat natürlich einen Grund.
Denn: Die Berliner Sommer haben sich verändert. Sie sind anders als früher. Nicht nur gefühlt, auch wenn das selbstverständlich Teil der Wahrnehmung ist. Wirklich erinnern kann ich mich erst an 2017, wahrscheinlich weil ich in diesem Jahr das erste Mal ernsthaft das Brandenburger Grundstück in Gräbendorf genutzt habe.
In den Jahrzehnten vorher lief eine Sommerwoche hier im Grunde immer nach dem gleichen Muster ab: Es wurde heiß. Gerne auch mal sehr heiß, über 30 Grad. Nach zwei Tagen aber kamen die Gewitter. Wenn die einsetzten, fielen die Temperaturen gerne mal um 15 bis 20 Grad, und das innerhalb von Minuten. Auf die wenigen schönen Tage folgten fast immer viele durchwachsene.
Und so zog sich der Sommer hin, längere Hitzeperioden gab es selten.

2017 dann war schon anders. Wärmer. Aber auch sehr, sehr verregnet. Es goss oft in Strömen, Starkregen war nicht selten, so dass in Berlin und auch Gräbendorf Keller vollliefen. Die Natur blühte auf, Rasen wuchs so sehr, dass ich fast zusehen konnte. Dabei kühlte es nicht etwa ab, sondern die schwüle Wärme hielt sich auch nach dem Regen.
Dann 2018.
Ein Jahrhundert-Sommer. Eine Hitzephase, wochenlange Perioden über 30 Grad, mit tropischen Nächten, in denen das Thermometer nicht unter 20 Grad fiel.
Aber das war nicht einmal das Schlimmste. Denn damit begann das Ausbleiben des Niederschlags. Keine kühlenden Gewitter mehr, nicht einmal Regentage, die diesen Namen verdienen. Ab und zu ging ein Schauer nieder, aber die verdienten kaum Erwähnung. Dass die Natur begann zu vertrocknen, war bald überall sichtbar.
2019 dann ähnelte sich das Bild. Heiß und trocken. Viel zu trocken. Rasen verwandelte sich erst in braune Flächen, dann in Sandwüste. Bäume warfen schon im Juli ihre Blätter ab. Den Übergang vom Sommer zum Herbst merkte ich kaum, noch weit in den September hinein waren die Temperaturen überdurchschnittlich hoch.

Dieses Jahr 2020 war es nicht ganz so heiß. Aber in Phasen ebenso trocken. Besonders im Frühjahr regnete es teilweise gar nicht. Im Hochsommer zum Glück ein bisschen. Trotzdem hat der Niederschlag bei Weitem nicht ausgereicht, der Grundwasserspiegel in der Region fällt immer weiter.
Der Witz ist: Ich habe die Vegetation auf dem Brandenburger Grundstück angepasst. Da auch die letzten Winter sehr mild waren, hat mein Feigenbaum bislang gut überlebt. Oleander hat sich noch nicht festgesetzt, aber ich probiere es dieses Jahr wieder. Mediterrane Kräuter hingegen sind ebenso aromatisch wie in Südfrankreich oder Italien. Je trockener die Gegend, desto mehr ätherische Öle bilden z.B. Thymian und Rosmarin aus, kulinarisch also optimal. Und die Wege sehen lavendelgeschmückt sowieso großartig aus, und diese Pflanzen werden in den nächsten Jahren noch reifer und prächtiger werden.

Keine Frage: Der Klimawandel ist da.
Ich würde mich gerne schuldig fühlen. Schuldig dafür, dass ich die letzten Sommer so genossen habe. Wenn ich aber an den fehlenden Regen denke, macht mich das schon ziemlich nachdenklich.
Daher war ich wirklich froh, dass es endlich mal ein bisschen „niederschlägt“. In den nächsten Tagen soll es auch ein bisschen so weitergehen. Mensch und Natur brauchen es dringend. Ja, Mensch auch, auch wenn Ehefrau Nina nicht zustimmt (ihr ist ohnehin immer kalt, in dieser Hinsicht gibt es für sie nur schwarz oder weiß). Denn irgendwoher muss unser Wasser ja kommen. Die Pegel der Seen, Flüsse und des Grundwassers sind nun einige Jahre lang gefallen. Ich hoffe, dass sich alles wieder auffüllen wird.
Heute ist also ein guter Tag für alle.
Auch wenn ich gleich zum Einkaufen eine Regenkutte überstreifen muss.
Wenn es weiter nichts ist, werde ich es überleben.
Und meine Kräuter im Garten auch.

Hier ein Link zum Coronavirus-Update mit Prof. Drosten.