Voll autokratisch

Und dem Jahr geht langsam die Luft aus.
Was für ein Jahr hätte es werden können. Und was wurde letztlich daraus.
Nun, es war nicht alles schlecht, immerhin wurde die orange Wasserstoffbombe im Weißen Haus abgewählt. Eine andere Wasserstoffbombe treibt allerdings in No 10 Downing Street weiterhin ihr Unwesen. Politisch gesehen hat es die gesamte Schlagkraft demokratisch gesinnter Menschen gebraucht, um haarscharf an der autoritären Katastrophe vorbeizusegeln. Das war viel zu knapp. Und verheißt für die Zukunft nichts Gutes.
Der Faschismus in seinen vielen Prägungen ist wieder im Vormarsch, das kann niemand mehr leugnen. Allein dieses Jahr wurden 50 Journalisten ermordet, in allen Teilen der Welt. Noch leben wir hier in Europa unter paradiesischen Zuständen. Ich bin allerdings nicht sehr hoffnungsvoll, dass das noch lange so bleibt. Zu hart, zu nahe sind die Einschläge, zu laut die Claqueure der Extremisten, die keine schöne und gute Welt wollen, sondern nur Macht und Wohlstand für Ihresgleichen. Und das sind nicht besonders viele. Dabei werden diese Zustände durchaus durch die Menschen herbeigewählt, die eigentlich eine Änderung ihrer eigenen prekären Verhältnisse wollen. Die natürlich durch die rechten Schergen niemals in die Realität umgesetzt werden (würden, noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben.).
So viel Bitterkeit am Jahresende.

Ich folge einem Reiseblog auf Youtube, Gabriel Traveler, der mit seinen Videos durch Werbeeinnahmen seine Reisen ermöglicht. Es sind keine kulturell informativen Videos, sie sind eher streetsmart, wenn man das sagen kann, erzählt Gabriel doch viel von den alltäglichen Situationen, denen er auf seinen Reisen begegnet. Hotels in Costa Rica, Übernachtungen am Flughafen in Mexiko in winzigen Schlafkojen, Fast Food in aller Welt und wie viel es kostet. Es sind leichte, fast schon unschuldige Berichte aus vielen Ländern, Berichte ohne Hintergedanke und ohne Sorge.
Kurz gesagt: so wie meine Berichte vor 20 Jahren ausgesehen haben, vielleicht auch noch vor fünf. Das aber ist vorbei. Bevor ich in ein Land reise, lese ich die Nachrichten. Verfolge die Politik. Und bin damit meist vollkommen abgestoßen. Wollte ich von zehn Jahren noch nach Ägypten, könnte ich das jetzt, unter einem Schlächter wie General Sissi, niemals mehr machen. Das Gleiche gilt für Marokko, das ich 2010 besucht habe. An die Philippinen, Russland, Brasilien ist gar nicht mehr zu denken. Wer weiß, ob Frankreich auch bald zu dieser Liste gehört. Ich mag das gar nicht kontemplieren.

Aber das ist die Schwierigkeit. Als ich mich dazu entschieden habe, mich zu politisieren, wurde ich kritischer. So kritisch, dass diese Einstellung die Schönheit der Länder schlichtweg überragt. Der Witz dabei aber ist, dass ich ein Mensch bin, dem das Wort „Realpolitik“ sehr viel bedeutet. Will heißen, dass man in seinem Leben da Beste aus der Sache machen muss, weil ich nicht in der Lage bin, diese Welt zu ändern, um sie so zu machen, wie ich es gerne möchte. Politisch gesehen, in meinem eigenen Land, bin ich pragmatisch genug. Nur was das Reisen angeht, habe ich bisweilen Schwierigkeiten.
Vielleicht kriege ich es hin, auch das Reisen pragmatischer zu sehen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das wirklich ein Fortschritt wäre. Diese gewisse Skeptik, politische Missbildungen zu erkennen, habe ich mir in den letzte Jahren ziemlich hart erarbeitet.
Ich muss mal darüber nachdenken.
Der Witz allerdings ist, dass ich mich in den freien Teilen Europas bislang durchaus wohlfühle. Und so lange dieser Teil nicht kleiner wird, ist das alles nicht so wichtig.