Voll nochmal gutgegangen

Es hatte einen Grund, warum ich in den letzten Tagen kaum Nachrichten aus Deutschland verfolgt habe. Ich gebe zu, dass es ein bisschen feige gewesen ist, aber letztlich wäre es egal gewesen, ob ich mitgelesen hätte oder nicht, denn die Wahlen, die anstanden, konnte ich ohnehin nicht beeinflussen.

Was ist also passiert?
Die CDU hat ihren Vorsitzenden gewählt. Es klingt wenig dramatisch, aber es war eine echte Schicksalswahl. Denn es ging um die Ausrichtung der Bundesrepublik im nächsten Jahrzehnt. Natürlich klingt das theatralisch, aber am Ende ist es fast immer der CDU-Vorsitzende, der Kanzlerkandidat wird. Und ein konservativer Kanzlerkandidat wird auch meistens Bundeskanzler. Zusammen mit der ziemlich mächtigen Richtlinienkompetenz und dem Fraktionszwang im Bundestag kann ein Kanzler praktisch alles auf die Wege bringen, was er oder sie erreichen möchte.
Zur Auswahl standen Laschet, Röttgen und Merz. Ersterer ist eine Art Merkel-Fortsatz, zweiterer ein moderner Konservativer, letzterer ein Steinzeit-Konservativer nach Art von Helmut Kohl, der schon gegen den Straftatbestand der Vergewaltigung in der Ehe gestimmt hat und der den zwielichtigen Ruf einer Blackrock-Heuschrecke nie hat abschütteln können. Zu Merz sei auch gesagt, dass er fast so alt ist wie Merkel, die altersbedingt dieses Jahr aufhört. Er ist ein vor bereits Jahrzehnten gescheiterter Politiker, der von Merkel in den 2000er Jahren fachgerecht ausgebootet wurde.
Pünktlich zur Machtübergabe Merkels tauchte er allerdings wieder auf.
So wie ich ihn sehe, ist er die deutsche Version von Donald Trump, jemand, mit dem Koalitionspartner wie die Grünen, aber auch die SPD, keine gemeinsame Schnittmenge finden könnten. Es bliebe für Merz somit nur eine Koalition mit der FDP und der AFD, eine rechts-extreme toxische Verbindung, die Deutschland in das amerikanische Dilemma dieser Zeit stürzen würde.
Das war also die Ausgangslage am Samstag. Am Samstag wurde abgestimmt, und zwar nur von den ca. 1000 CDU-Delegierten. Ganz ehrlich, ich habe das genaue Datum nicht einmal gekannt, so groß waren meine Befürchtungen wegen einer Merz-Kanzlerschaft. Ich habe meinen Kopf freiwillig in den Sand gesteckt, indem ich mich in ein Cricketspiel zwischen England und Sri Lanka vertieft habe. Ohne es zu wissen, denn wie gesagt, ich kannte ja den genauen Abstimmungstermin gar nicht.

Irgendwann aber stand Ehefrau Nina vor mir, zwischen einem unspielbaren Yorker und einer eindrucksvollen Boundary, und teilte mir mit, dass Laschet, seines Zeichens NRW-Ministerpräsident, der neue CDU-Vorsitzende werden würde.
Meine Erleichterung kann ich gar nicht genug zum Ausdruck bringen. Die Merz-Katastrophe ist einmal mehr an uns vorübergegangen. In 2018 war sie schon einmal abgewendet worden, als die CDU, nach Merkels Verzicht, eine(n) neue(n) Vorsitzende(n) gesucht hatte. Die damalige Gewinnerin Annegret Kramp-Karrenbauer, kurz AKK, hat allerdings nicht lange durchgehalten. Die Gründe dazu sind vielfältig und sprengen hier den Rahmen. Außerdem habe ich gerade keine Lust zu recherchieren, sollen sich Historiker damit befassen.

Jedenfalls ist uns hier großes Übel erspart geblieben. Ich musste an die USA denken. Und an Großbritannien. Dort haben radikale Teile innerhalb der konservativen Parteien, in den USA die Tea Party und in Großbritannien die sogenannte ERG, die GOP bzw. die Torries quasi übernommen, um aus ihnen die radikalen Parteien zu machen, die wir heute vor uns sehen. Es sind keine konservativen Parteien mehr, sondern reaktionäre, wie wir in Washington vor zehn Tagen haben beobachten können. In Großbritannien lief es ähnlich, dort haben die Extremisten den schädlichen Brexit verursacht.
Nichts weniger als das bleibt uns somit erspart. Die Radikalen um Friedrich Merz haben verloren, viel zu knapp, wenn man mich fragt, aber immer noch ziemlich eindeutig. Ich bin zwar kein Konservativer, empfinde ich diese politische Richtung doch als feige und einfallslos, aber mit Laschet als Kanzler könnte ich leben, ebenso wie ich mit Merkel als Kanzlerin leben konnte (und musste, denn mich hat man zwar alle vier Jahre gefragt, aber auf mich gehört haben die wenigsten).
Es war also ein ziemlich guter Tag für mich. Und ein ziemlich guter Tag für Deutschland. Denn die gesellschaftliche Spaltung des Landes wird nicht passieren. Auch wenn es ärgerlich ist, dass 12,6% der Deutschen offensichtlich nichts aus der Geschichte gelernt haben. Aber damit muss man wohl in einer Demokratie leben. So wie Friedrich Merz, der nun abermals seine Wunden nach dieser weiteren Niederlage lecken muss und nun hoffentlich endgültig von der Bildfläche verschwindet.