Voll Ski Heil

Die Diskussion ist eröffnet.
Und sie ist im Grunde nicht neu.
Mal wieder geht es um des Deutschen liebstes Kind: die Freizeit.

Nachdem wir schon in den frühen Sommermonaten gehörig gejammert haben, dass wir in den Urlaub fahren wollen, haben die Verantwortlichen reagiert und das Reisen wieder zugelassen. Malle, Türkei (eigenartigerweise ist das Gebiet zwischen Antalya und Alanya von der als Risikogebiet ausgewiesenen Türkei ausgenommen worden, ein weiterer Kotau vor dem Irren vom Bosporus), Südfrankreich – alle Urlaubsgebiete waren plötzlich wieder zugänglich.
Die Folgen die Pandemie betreffend waren erheblich, denn die Zahlen stiegen wieder. Früher brachten Urlauber gute Laune mit, dieses Mal Corona-Infektionen.
Und wie es eben so ist, erleben wir gerade wieder ein Déjà vue. Nur dieses Mal im Winter. Und es geht nicht um Strand und Sonne, sondern um Abfahrt und Après Ski. Und wieder einmal ist den Leuten da Hemd näher als die Hose.
Doch die Politik in Deutschland scheint dieses Mal strenger zu sein. Besonder ein gewisser Herr S. Aus M. An der I., seines Zeichens Ministerpräsident eines recht merkwürdigen Bundeslandes in Deutschland, hat angekündigt, dass Österreich doch die Skilifte gar nicht erst in Betrieb nehmen sollte.
Das hat gewisse Irritationen jenseits der Bergkette hervorgerufen.
Besonders am Ballhausplatz war man ausgesprochen angemieft.

Dabei vergisst man schnell: Vor wenigen Wochen noch hat der Kurz-Kanzler strenge Corona-Maßnahmen eingeleitet, weil vor allem die Hauptstadt Wien arg vom Virus gebeutelt wurde. Plötzlich aber hängte der Milchbubi-Führer der Österreicher sein Fähnchen um. Weil es um die wichtigste Industrie des Landes geht: den Ski-Tourismus.
Versteht mich nicht falsch, es ist ein Desaster. Ich kann es verstehen, wenn Leute, die in dieser Industrie arbeiten, jetzt voller Verzweiflung auf die kommenden Monate schauen, wohl wissend, dass alles, wofür sie in den letzten Jahren gelebt haben, vor dem Aus steht. Denn die Tourismus-Industrie ist darauf aufgebaut, zwar große Umsätze zu erzielen, allerdings auch wenig Gewinn abzuwerfen, was im Umkehrschluss bedeutet, dass auch wenige Rücklagen vorhanden sind. Daher kann ich die Verzweiflung und auch den Aufschrei verstehen.
Was ich nicht verstehen und noch weniger tolerieren kann, ist die Schamlosigkeit der Politik in dieser Angelegenheit. Warum kann ein Kurz-Kanzler sich nicht ehrlich hinstellen und mitteilen, dass das Land ohne diese Industrie wesentlich schlechter darsteht? Dass es aber in der jetzigen Zeit gequirlter Wahnsinn wäre, die Lifte zu öffnen? In Wien vor einigen Wochen war es ihm wichtig, dem Virus mit aller Macht zu begegnen. In den Bergen aber scheint er anders zu denken. Auf gewisse Weise verständlich, denn dort sitzen seine Wähler. Im linken Wine dagegen nicht, und Konservative haben dieser Tage die Angewohnheit, eher ihre Klientel zu bedienen, als sich in den Dienst des ganzen Volkes zu stellen.
Dabei ist uns allen noch das Corona-Erlebnis aus dem Frühjahr in Erinnerung, als Corona in Ischgl, dem Ski-Gebiet, erst so richtig verbreitet und in der Folge in alle europäische Himmelsrichtungen verteilt wurde. Es klingt jetzt also immens zynisch, auf der diesjährigen Skisaison zu bestehen.

Wahrscheinlich ist das alles eine Scheindiskussion.
Denn Österreich gilt in Deutschland noch immer als Risikogebiet. Nach einem Besuch in der Alpenrepublik muss man also zehn Tage in Quarantäne. Und ich glaube kaum, dass das jemand wirklich mitmacht.
Wahrscheinlich also handelt es sich beim Aufbäumen des Kurz-Kanzlers nur um eine politische Finte. Denn er muss die Saison nicht absagen, kann also bei seinen Wählern punkten. Trotzdem werden kaum Urlauber kommen. Schon gar nicht aus Deutschland.
Schon hört man in Foren allerdings die Aussage: „Piefke, bleib weg“. Und das ist der Preis dieser Politik. Eine weitere Spaltung, vielleicht sogar noch extremere nationalistische Positionen in Österreich, wenn das überhaupt noch möglich ist.
Sei es drum.
Ich erfreue mich jedenfalls eher an dem ökologischen Effekt. Durch das praktische Ausfallen der Ski-Saison hat die Natur in den Bergen vielleicht endlich mal wieder die Gelegenheit, sich von dem Wahnsinn des Übertourismus dort zu erholen.
Insofern bietet Corona auch positive Aspekte.
Man muss sie nur sehen wollen.