Voll von einer Krise in die nächste
Ich traute meinen Augen nicht.
Und das sowohl in positiver wie auch negativer Hinsicht. Fangen wir mal mit der positiven Nachricht an: In Berlin nähert sich der Inzidenzwert dem einstelligen Bereich. Heute lag er bei ca. 12, in ein paar Tagen wird er die zweistelligen Gefilde erst einmal verlassen. Das ist ein weiterer Schritt in Richtung Normalität.
Doch die schlechte Nachricht folgt auf dem Fuß: Ende Juni könnten es in Südeuropa 50 Grad Celsius werden. Es ist kaum vorstellbar. Temperaturen wie diese habe ich noch nie erlebt. Letzte Woche im Garten ächzte ich schon bei 28 Grad im Schatten, die ich allerdings in der Sonne verbracht habe.
Betroffen wären allerdings nicht wir, sondern der Süden Spaniens, vielleicht Sizilien. Doch besteht die Chance, dass auch wir von dieser enormen Hitzewelle etwas abbekommen werden. Ob es wirklich so kommen wird, wissen wir noch nicht, aber allein die Vorstellung, dass die Klimaerwärmung weitere Kapriolen vollziehen könnte, ist beängstigend. Ein weiteres Extrem also.
Was mich dabei wirklich frustriert, ist die Tatsache, dass die Umfragewerte der Grünen gerade wieder in den Keller sinken. 10%-Punkte haben sie in den letzten Wochen verloren, und ich befürchte, dass sie noch weiter sinken werden. Stattdessen gewinnt die Union, die Konservativen, deren fehlende Bereitschaft, mal etwas gegen die Klimakrise zu unternehmen, zu deren Verschärfung beigetragen hat. Es ist mir unverständlich, dass Leute es einfach nicht wahrhaben wollen. Noch vor einigen Wochen war ich optimistisch, dass Leute eventuell verstanden haben, wohin die Reise gehen muss, um die wichtigste aller Krisen abzumildern. Aber jetzt scheint es mir nicht mehr so. Die Grünen waren dabei ehrlich, haben darüber geredet, dass Benzinpreise in Zukunft steigen müssen. Ziemlich moderat übrigens. Doch scheint es gereicht zu haben, um einige Wählergruppen zu verschrecken.
Dazu fällt mir ein Spruch ein: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.
Menschen wollen also das Klima irgendwie retten, aber dabei auf nichts verzichten.
Unvorstellbar. Aber es scheint so zu sein.
Am Anfang der Pandemie hatte ich mal thematisiert, wie jüngere Generationen auf ältere achten, um diese besonders zu schützen. Dieser Gefallen wird im Moment nicht erwidert. Sind es doch ältere Wählergruppen, die jetzt wieder zu den Konservativen herüberschwenken, um echten Wandel und auch die Verhinderung der Klimakrise zu verhindern.
Was ich dazu denke, möchte ich hier nicht schreiben, aber es wundert mich alles nicht. Ich bin gerade sehr skeptisch, dass gegenseitige Rücksichtnahme generationenübergreifend funktionieren kann.
Vielleicht hat dieser Eintrag einen etwas deprimierenden Unterton, aber im Grunde spiegelt er gerade wider, was ich denke und fühle. Hatte ich vor einigen Wochen noch optimistische Aussichten vor mir, scheint davon fast nichts mehr übrig zu sein. Ich habe den Eindruck, dass dieses Land sich nicht bewegen will, nicht sehen will, wo es hingeht. Vielleicht sind wir faul geworden. Gestaltung sieht jedenfalls anders aus.
Ich hoffe inständig, dass sich die Aussichten wieder ändern werden. Aber nach den Erfahrungen der letzten Jahre rechne ich nicht damit. Schon zu oft gab es am Anfang eines Wahljahres eine Art Aufbruchstimmung, die dann aber rasch verflog.
Und ich kann, wie vier Jahre zuvor, nur immer wieder mit dem Kopf schütteln.