Gestern also hat der Urlaub begonnen.
Pünktlich zum morgendlichen Zeltabbau gewitterte es. Nun, es ist selten passiert, aber an diesem Tag störte es etwas, denn ich hatte später nicht die Gelegenheit, die Planen auf dem nächsten Campingplatz zu trocknen.
Ich hatte allerdings Glück, denn das Gewitter hörte um halb acht auf. Danach herrschte Sonnenschein und Hitze. Die Planen sind so dünn, dass sie binnen Minuten in der prallen Sonne praktisch trocken waren.
Und ich hatte Zeit. Ehefrau Nina würde erst um zwölf in Lyon ankommen. Ihr Flug verspätete sich, weshalb ich noch mehr trödelte und somit erst spät meinen Zug aus Saint Clair nach Lyon buchte. Und feststellte, dass der nächste erst nach 13 Uhr fahren würde. Das führte zur komischen Situation, dass ich später in Lyon war als Nina. Allerdings nur 10 Minuten. Im Grunde war es so perfekt.

Es dauerte trotzdem bis 17 Uhr, bis wir in die AirBnB-Wohnung eingecheckt und uns ausgeruht hatten. So etwas dauert irgendwie immer.
Aber wir waren ja jetzt Urlaub. Hetze und Eile hatten wir in den Wochen zuvor genug, Nina natürlich noch mehr als ich, aber auch das Reisen bringt manche Anstrengung mit sich. Ich aber fühlte mich besser. Die letzten Tage waren ruhiger gewesen, ich hatte mich körperlich tatsächlich erholt.
Wir spazierten schließlich durch die Stadt. Am Perrache vorbei ins Stadtzentrum auf der Insel zwischen den Flüssen. Wir genossen einfach die erhabenen Boulevards und Plätze, die Atmosphäre an diesem Pfingstsonntag. Es war nicht viel los auf den Straßen. Und wir fanden es perfekt.
In einer viel zu vornehmen Bar stießen wir auf den Urlaub an. Anderthalb Stunden brauchte Ehefrau Nina für ihren Aperol Spritz. Mein kleines Glas Rosé hingegen war nach einer Viertelstunde Geschichte. Es machte nichts. Wir genossen einfach die gemeinsame Zeit.
Viel mehr geschah nicht an diesem Tag. Wir wanderten noch bis zur Opéra und dem Hotel de Ville, dann kehrten wir um und liefen einen etwas anderen Weg zurück zur Wohnung. Die Boulevards gefielen uns weiterhin, sie sind breit und einladenden, natürlich verkehrsberuhigt und es gibt eine Unmenge an Plätzen, die so großzügig angelegt sind, dass man die Häuser am anderen Ende kaum erkennen kann. Meist befinden sich Springbrunnen darauf. Eine durchweg heitere, beinahe elitäre Atmosphäre.

Die Nacht aber war für mich fast schlaflos. Es war laut, das Bett durchgelegen, außerdem hatte sich die Mittagshitze im Appartement gehalten. Wirklich unglaublich, aber mir fehlte fast die Zeit im Zelt, auf der bequemen Term-a-Rest-Matte, die 100-mal besser ist als dieses Bett in der Absteige. Airbnb ist überschätzt. Bruchbuden.
Um sieben hatte ich es überstanden und hoffe, dass die Unterkunft in Apt besser ist.

Der Tag begann gemächlich. Nach dem gemeinsamen Frühstück liefen wir los, wieder in Richtung Zentrum. Dieses Mal allerdings bogen wir am Place Bellecour ab und liefen auf die auf den Hügeln vor uns liegenden Basilika zu. Nachdem wir eine Brücke passiert hatten, waren wir im Vieux Lyon, wahrscheinlich dem mittelalterlichen Teil. Zumindest sah es so aus. Wir steuerten zielstrebig auf die Funiculaire zu. Der Weg nach oben sah steil aus. Also hochfahren und herunterlaufen. Das war der Plan. Wir entschieden uns für die Bahn in Richtung Saint Juste, meiner Berechnung nach sollten wir hier am römischen Theater vorbeikommen. Taten wir auch, nur stiegen wir noch nicht aus. Irgendwie wollte ich nach oben, mit dem Effekt, dass wir noch eine Strecke laufen mussten. Es war aber nicht schlimm, kamen wir doch an den Resten römischer Aquädukte vorbei. Immerhin etwas.
Ein paar Minuten später dann tauchte das römische Theater auf. Es ist frei zugänglich. Am Abend findet ein Konzert, oder besser ein ganzes Festival statt, mit Nick Cave, einem der Männer, derentwegen mich Ehefrau Nina von einer Sekunde auf die andere verlassen würde. Ich freute mich jedenfalls über die römischen Ruinen. Das Theater ist so weit restauriert, dass Events stattfinden können. Viel erhalten ist allerdings nicht. Die Sitzreihen sind ohne Ausnahme neu. Die Aufbauten aus antiker Zeit schon lange nicht mehr vorhanden, eine Ruine, von der man sich kaum vorstellen kann, wie dieses Theater einmal ausgesehen hat. Nebenan existiert ein Odeon, ein kleineres Theater, damals für Leute mit erhabenerem Geschmack. In Vienne vorgestern hatte ich schon einmal eines gesehen. Dieses hier ist aber besser erhalten.
Im Grunde war das schon der Höhepunkt unseres Besuchs hier. Zumindest einer davon. Wir liefen noch zur Basilika, die mich an eine Hochzeitstorte erinnerte. Sie liegt eben schön und von der Terrasse dahinter hatten wir herrliche Ausblicke auf die Stadt. Lyon ist groß, fast so groß wie Berlin, so scheint es mir zumindest.
Dann wagten wir den Abstieg.
Er war steil und manchmal herausfordernd.
Wir waren froh, mit der Bahn hochgefahren zu sein. Es wäre wirklich anstrengend gewesen.

Wieder unten wanderten wir durch die Vieux Ville. Es war jetzt unfassbar voll. Gruppen an Menschen waren unterwegs, die immer ihren Führern hinterherliefen und an den unmöglichsten Stellen stehenblieben. Es sind atmosphärische Straßenzüge mit alten Häusern, bunten Fassaden und herrlichen Treppenaufgängen und Höfen, aber es war für uns zu viel. Auch die Gastronomie hat sich vollständig auf diese Art Touristen eingestellt. Bloß raus hier.
Es war sowieso Zeit für den Lunch.
Wir fanden eine Boulangerie an der Opéra, die Baguette Chevre Pesto servierte. Mehr brauchten wir nicht. Und ehrlich gesagt, hatten unsere Beine eine Verschnaufpause nötig. Die wurde länger, weil wir uns danach auf einen Kaffee in ein Café setzten. Und ich eine WiFi-Verbindung bekam. Boris Johnson muss sich heute Abend einem Misstrauensvotum stellen. Einerseits gut, dieser Clown gehört nicht dorthin, wo er ist, andererseits, warum erst jetzt?
Das Fatale aber ist, dass er dieses Votum wahrscheinlich überstehen wird. Solche Gestalten kleben an ihren Ämtern wie Hundedreck an Wanderschuhen mit tiefem Profil.
Ich las also eine Dreiviertelstunde Nachrichten. Und bin eigentlich kaum schlauer als vorher, weil niemand weiß, wie es ausgeht oder was danach passiert.
Also verschwendete Zeit, weckt mich auf, wenn etwas passiert ist.

Den Nachmittag nutzten wir zum Window-Shopping, denn zu meiner Überraschung hatten plötzlich alle Geschäfte geöffnet. Pfingstmontag. So etwas.
Ehefrau Nina wollte zu Promod, einer Modekette, die in Deutschland seit Jahren Pleite ist und somit nicht mehr existiert, ich danach zu Decathlon, um meine Ausrüstung zu ergänzen. Es wird wärmer, also brauche ich nicht mehr so dicke Kleidung. Muss also weniger Gewicht tragen.
Gegen 15 Uhr dann drehten wir um, waren im Grunde am Ende unserer Kräfte, und liefen zur Wohnung zurück.
Heute Abend gibt es endlich einmal wieder Pizza, den Italiener im Stadtzentrum haben wir schon ausgesucht.
Und Morgen verbringen wir noch einen Tag hier, bevor wir in die Provence aufbrechen.
Dann wird es nochmals ruhiger.
Schön.