Und es war gut, dass wir noch einen zweiten Tag geblieben sind.
Eine Stadt von der Größe von Lyon kann man nicht innerhalb eines Tages erkunden. Und diesen heutigen haben wir vollkommen anders genutzt als den gestrigen.
Erst einmal aber mussten wir feststellen, dass wir noch ziemlich kaputt waren. Man unterschätzt die Strecken, die man in einer Stadt zurücklegen kann. Sie sind kaum messbar, denn man achtet nicht darauf.
Heute also beschlossen wir, einmal die Gegend auf der Rhôneinsel zu verlassen und nahmen die Straßenbahn T1 zum Gare Part Dieu. Es sind ungefähr fünf Kilometer, die wir praktisch an Fußmarsch einsparten. Als wir ankamen, orientierten wir uns westlich, um die Les Halles zu erreichen, die Markthallen, benannt nach dem wohl berühmtesten Sohn der Stadt, Paul Bocuse.

Was hatte ich erwartet, als ich sie suchte? Mindestens einen Bau in Form eines viktorianischen Gewächshauses, nur wesentlich größer. Mit gusseisernen Trägern, Glas und eleganten stählernen Schnörkeln überall. Stattdessen fanden wir eine zweckmäßige Halle, eingeklemmt zwischen einem 50er Jahre Hochhaus und einem Bürosilo sehr neuen Datums.
Innen aber gab es die ganze Vielfalt lyonesischer Küche. Was mich wunderte, war die Tatsache, dass die Stände, oder besser Verkaufsflächen, alle geöffnet hatten, aber nur wenige Besucher da waren. Vielleicht ändert sich das zur Mittagszeit, aber es war schon gegen elf.
Die Sache ich die: Wir sehen uns luxuriöse Delikatessen gerne an. Aber zumindest ich sehe davon ab, sie mir zu leisten. Im Grunde war zumindest ich also vollkommen falsch an diesem Ort. Es handelte sich tatsächlich um höhere Küche, die es nun einmal auch zu höheren Preisen gibt. Ich weiß nicht, vielleicht könnte ich mir so etwas tatsächlich mal leisten. Aber irgendwie will ich nicht. So schlenderten wir durch die leeren Gassen des Marktes, angestarrt von den Luxusangestellten und ich dachte mir nur: Schnell wieder weg. Dadurch, dass keine weiteren Gäste da waren, traute ich mich auch nicht, Fotos zu schießen. Ist ja auch unhöflich. Auch wenn das nicht logisch ist, denn wenn mehr Menschen anwesend sind, ist es auch nicht höflich, Fotos von Gerichten und Ständen zu machen, nur merkt es dann niemand, weil es so voll ist.
Jedenfalls habe ich nicht ein Bild von diesem kurzen Ausflug.

Als wir wieder an der frischen Luft waren, atmeten wir durch und orientierten uns. Der Parc de la Tête d’Or war unser nächstes Ziel. Wir marschierten anderthalb Kilometer durch ein modernen wirkendes Lyon, dann erreichten wir die prachtvollen gusseisernen Tore mit goldenen Verzierungen.
Der Park erinnerte mich in seiner Landschaftsgestaltung ein wenig an das Buga-Gelände in Berlin. Ein kleiner See in der Mitte begrüßte uns, wir flanierten einen breiten Boulevard entlang, umgeben von Bäumen und ausufernden Grünflächen. Ich glaube, dass der Park gar nicht so groß ist, ein paar Hundert Meter lang. Aber er ist abwechslungsreich. Denn bald schon erreichten wir ein Gehege, in dem sich ein paar Giraffen aufhielten. Giraffen. Hier in Lyon.
Es war ein wenig surreal. Tatsächlich befindet sich hier ein kleiner Zoo, der allerdings nicht geöffnet hatte. Sonst scheint er frei zugänglich zu sein. Trotzdem sahen wir noch ein paar Flamingos, Kraniche, Pelikane. Und ein Krokodil. Das übersahen wir fast, lag es doch bewegungslos vor einem kleinen Tümpel. Sehr bewegend.
Nebenan fanden wir uns bald in einem kleinen botanischen Garten wieder. Einige Gärtner waren dabei, ihn auf Vordermann zu bringen. Die ziemlich majestätischen Gewächshäuser waren jedenfalls ebenfalls noch nicht zugänglich. Ein bisschen schade. Aber die Außenbeete blühten teilweise schon, sodass wir entschädigt wurden. Alles sah allerdings noch ein bisschen wild aus, ich vermute, dass die Stadt etwas spät mit den Arbeiten daran begonnen hat.

Ich weiß nicht, wohin an diesem Tag die Zeit geflossen ist. Es war bereits zwei Uhr, sodass wir beschlossen, uns langsam in Richtung Heimat zu orientieren. Auch, weil uns langsam die Füße wehtaten.
Wir hatten gestern die Altstadt entdeckt, heute den Park. Was wir praktisch noch nicht kannten, war der Fluss. Und an diesem Uferweg gingen wir dann entlang in Richtung Perrache. Selten habe ich eine solch schöne Ufergestaltung gesehen. Breit angelegt, für Fußgänger und Radfahrer, mit gelegentlichen Hausbooten oder Restaurants auf Booten. Eigentlich befindet sich hier ein kleines gastronomisches Cluster. Die Leute genossen die vielen Bänke und kleinen Grünflächen. Es ist ein Ort, an dem man sich bequem aufhalten kann. Auch der Blick auf die Stadt ist von hier aus ein ganz anderer. Sie liegt einem nicht zu Füßen, sondern türmt sich vor einem auf. Fluss und Stadt bilden auch optisch eine Symbiose. Erst hier kommt das wirklich zum Tragen.
Wir liefen also zurück und sind nun wirklich ziemlich am Ende. Zweieinhalb Tage Metropolenschauen ist nicht ohne. Die Stadt ist wundervoll, trotzdem sind wir froh, morgen abfahren zu können. Die Zeit in der Provence wird ruhiger. Sie ist unser Erholungsurlaub, fern vom Stress. Ich glaube, dass es wundervoll werden wird.
Morgen aber besteht uns noch die Anreise bevor, die erstaunlich kurz sein wird. Avignon erreichen wir innerhalb einer Stunde. Von dort aus nehmen wir den Bus in Richtung Apt, der allerdings erst um kurz vor zehn abfährt. Wir haben keine Eile. Und hoffentlich keinen Stress.
Es wird sicher ein traumhafter Aufenthalt.