Der letzte Tag auf Korsika.
Eine Zeit, die leider von ziemlichen persönlichen Problemen überschattet wurde. Man kann am schönsten Ort der Welt sein, wenn die Gedanken trüb sind, wird man ihn nicht als solchen wahrnehmen. Tatsächlich war es schade, das kann ich jetzt schon sagen. Viel Zeit habe ich mit Grübeln verbracht. Auch heute, obwohl ich sagen muss, dass die Bitterkeit allmählich abnimmt. Eine neue Realität scheint sich ihren Weg zu bahnen. Mein Widerstand dagegen wird geringer, damit auch meine Wut. Die anstehenden Konsequenzen schmerzen, aber dagegen kann ich kaum etwas unternehmen. Ich kann nicht aus meiner Haut, bestimmte Verhaltensweisen anderer ziehen eben Konsequenzen meinerseits nach sich. Viele werden das als extrem bezeichnen, und in gewisser Hinsicht haben sie auch recht. Aber so bin ich nun einmal. Ich muss mein Leben so leben, wie ich es für richtig halte.

Ich fuhr wieder nach Bastia.
Und stellte tatsächlich fest, dass ich schon gestern im Grunde alles gesehen hatte. Ich konnte mir also Zeit lassen und nochmals durch die Gassen schlendern. Dabei machte ich mir nicht einmal mehr die Mühe und stieg zu Zitadelle und Altstadt hoch, die ich gestern so malerisch gefunden hatte. Dazu war ich zu faul, blieb stattdessen in der Gegend des Fährhafens. Eigenartigerweise haben so viele Geschäfte hier geschlossen. Ich hoffe, dass sie nur Urlaub machen, die Geschäftsbesitzer. Kann natürlich sein, dass sie die Coronakrise nicht überstanden haben. Es sind so wenige Touristen hier, die meisten ziehen wohl sofort nach Ankunft weiter. Oder warten auf die Fähre, so wie ich, mit dem Unterschied, dass ich extra einen Tag länger eingeplant hatte. Wahrscheinlich war das gar nicht unbedingt nötig. Ein Tag reicht vollkommen. Und so nahm ich mir die Zeit, mich in eines der Cafés am Place Saint Nicolas zu setzen und einen letzten Espresso zu trinken. Ich blieb sicher anderthalb Stunden sitzen. Und grübelte. Natürlich. Vielleicht mache ich mir die Mühe und schreibe das alles mal genauestens auf. Nur für mich, nicht für diesen Blog, dazu ist es zu persönlich. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass Dinge, die man aufgeschrieben hat, sich abmildern oder sogar ganz verschwinden. Wenn man eine stumpfe und dumme Idee hat, die alles überstrahlt, schreibe ich sie auf. Dann erst ist manchmal Platz für neue Ideen. Es ist dabei vollkommen egal, ob ich die alte dumme Idee lösche. Oft ist sie dann vollkommen heraus aus dem System. Das wird zwar jetzt nicht passieren, denn die Geschichte ist ja noch lange nicht ausgestanden. Aber zumindest könnte ich auf diese Weise versuchen, meine Reise zu retten.

Morgen jedenfalls setze ich über nach Italien, nach Livorno. Diesen Tag heute nutzte ich ebenfalls dazu zu entscheiden, wie ich weiterreisen will. Wohin überhaupt nach der Landung in Italien. Ich habe mich dazu entschieden, entgegen einiger Grundsätze, doch noch zwei Orte zu besuchen, die ich schon kenne. Pisa und Lucca. Ich werde morgen nach der Ankunft gleich ein gutes Stück in Richtung Pisa radeln, dort einen Campingplatz auf halbem Wege aufsuchen und dann sehen, was ich besichtigen kann. Italienische Städte sind in dieser Gegend allesamt Freiluftmuseen. Ich hoffe, vielleicht durch ein ansprechendes Programm, das mir hier fehlt, wieder zu mir zu kommen. Die Schönheit um mich herum soll abfärben, so habe ich mir das vorgestellt. Mal sehen, wie es funktioniert.
In Pisa ist übrigens vor 12 Jahren meine lange Europareise mit einem Motorschaden meines Wohnmobils zu Ende gegangen. Ich habe also keine besonders guten Erinnerungen daran. Aber die Stadt kann nichts dafür. Ich war übrigens schon etliche Male hier, wirkliche Überraschungen wird es also nicht geben. In Lucca war ich auch schon öfter, das letzte Mal allerdings war in 2007. 15 Jahre ist das her, da kann ich schon mal wieder hinfahren. Ich erwische mich gerade dabei, mich langsam wieder ein bisschen zu freuen. In Italien bin ich vor mehr als 25 Jahren zu dem Reisenden geworden, der ich im Grunde noch immer bin. Kein hochaktiver, sondern eher einer, der den Ausgleich zwischen Anstrengung, Vergnügen und Bildung sucht. Eine Balance, die ich als wichtig erachte. Italien war dabei immer Wegweiser. Ein Land, in dem Kunstschätze, Küche und Erholung immer irgendwie um die Ecke sind. Das Land, das mich immer wieder in seinen Bann gezogen hat, bis vor etwa 15 Jahren. Dann ist es irgendwie durch Griechenland und Frankreich ersetzt worden, wenn man das sagen kann. Ich würde es aber ungern so bezeichnen. Eher als Pause. Und morgen werde ich diese Pause durchbrechen.
Wie lange ich bleiben werde, weiß ich noch nicht, aber ich glaube, dass es nicht die längste Etappe werden wird. Mal sehen. Schließlich ist auch Hauptsaison. Oder wird es im August sein. Bis dahin muss ich also spätestens wieder draußen sein. Sonst wird es nicht nur unangenehm teuer, sondern auch noch unangenehm voller.
Aber eines nach dem anderen. Noch bin ich nicht da.