Und es goss heute Morgen. So ungewohnt, so spannend. Die Luft war angenehm kühl, aber alles andere als kalt. Im Grunde waren es auch nur ein paar Tropfen, aber die zählten. Frische. Aufatmen. Die Hitze, die hier so oft schon in den frühen Morgenstunden geherrscht hatte, war durchbrochen, zumindest für diesen Tag. Ich glaube, dass ich nach dieser Reise die angenehme Kühle im Herbst viel mehr schätzen werde.
Trotz der kleinen Verspätung durch den Regen machte ich mich recht zeitig auf den Weg in die Stadt. Es ist ein doch weiter Weg, elf oder zwölf Kilometer nach Nafplion. Ich war eine Stunde unterwegs, weil ich noch kurz am Supermarkt halten wollte. Lunch. Ich hätte es mal lieber bleiben lassen. Es hält zu sehr auf und man findet alles in der Stadt.
So allerdings konnte ich erst einmal beruhigt meinen Aktivitäten frönen.
Und diese Aktivität bestand heute darin, die Festungsanlage in Nafplion zu besichtigen.
Erst einmal aber kam ich wie selbstverständlich zum Samstagsmarkt. Stand an Stand, Obst, Gemüse, Wein, Öl. Im Grunde ähneln sie sich fast alle. Es sind die Bauern aus der Gegend, die hier ihre Waren für Spottpreise verkaufen. Tomaten für etwas über einen Euro das Kilo. Frischeste Weintrauben für zwei. Berge an Auberginen und Zucchini, erstere in interessanten Farben, wie z.B. weiß. Ich hätte mal eine kaufen sollen. Fällt mit jetzt erst ein. Und fotografieren, das glaubt ja sonst niemand.
Im Grunde kann man Berge an Obst und Gemüse kaufen, aber sonst nichts anderes. Es war trotzdem interessant, Griechen gehen oft mit unfassbar schweren Tüten nach Hause.

Das alles geschah noch auf dem Weg zur Festung.
Sie thront weit sichtbar auf einem Hügel über der Stadt, eine stumme Wächterin, ein Bollwerk weit oben. Ich lief übrigens erst einmal unten um diesen besagten Hügel herum. Weil ich den kaum ausgeschilderten Aufstieg verpasste. Irgendwann konsultierte ich dann doch einmal das Navi. Und lief einen Kilometer zurück. Kann passieren. Auf dem eingeschlagenen Weg wäre ich irgendwann an einem Strand gelandet, wie ich später von oben beobachten konnte.
Ich fand den richtigen Weg nach einigen Schwierigkeiten. Er beginnt gleich hinter einem Frühstückscafé.
Der Weg hat es tatsächlich in sich. Die Stufen aus Marmor oder anderem harten Fels sind glattgelaufen. Ich mit meinen Strandlatschen hatte genau die gleichen Schwierigkeiten wie Leute mit festen Turnschuhen. Eigentlich würde ich Wanderschuhe empfehlen. Es war letztlich aber kein Problem. 150 Meter geht es praktisch steil bergauf. Es ist also durchaus eine kleine Tour. Immer höher ging es, meine Oberschenkel meldeten sich.
Irgendwann erreichte ich das Häuschen, in dem die Eintrittskarten verkauft wurden, und wurde mit den Worten begrüßt: „You did it. 8 Euro.“
Die kennen erschöpfte Reisende sicher zur Genüge.

Die Festungsanlage besteht seit ein paar Jahrhunderten. Erst die Venezianer, dann die Osmanen, schließlich die Griechen selbst haben hier gehaust. Ich war tatsächlich nicht wegen der alten Steine hier, sondern wegen der Aussichten. Es ist im Grunde immer gleich. Von unten sieht diese Festungsanlage sowieso viel beeindruckender aus als oben, wo alles fast ebenerdig ist. Es stimmt hier nicht ganz. Aber die Gemäuer treten rasch in den Hintergrund. Erst der Blick auf Nafplion. Von oben entdeckte ich die vielen Kuppeln. Kirchen? Moscheen? Beides? Mir war das in der Stadt gar nicht expliziert aufgefallen. So kann es kommen, der Blick von oben ist immer besser. Das venezianische Fort mitten in der Bucht wirkt auch dramatischer. Die Stadt weitet sich auch aus. Neben der Altstadt gibt es auch eine sich ausbreitende Neustadt. Modern. Soweit ich mich erinnere, war sie vor zwölf Jahren noch nicht so ausufernd. Ich kann mir vorstellen, dass dieser Flecken Erde begehrt ist. Die Stadt hat etwas Besonderes.
Aber das sind nicht die einzigen Aussichten. Auch der Peloponnes ist sichtbar. Weit erstreckt er sich, ich hatte den Eindruck, bis zum Ende des ersten Fingers sehen zu können. Die Berge beeindruckten mich hier besonders. Es wirkt unwegsam. Und fast leer. Die Küste scheint nicht stark besiedelt. Ein paar Dörfer, vielleicht Städte. Ich müsste diese Ecke mal abfahren. Aber nicht dieses Jahr.

Die Festung selbst lief ich ebenfalls ab. Sie ist eine Militärruine, anders kann man es nicht bezeichnen. Sie bröckelt vor sich hin, ist aber einigermaßen gut restauriert. Also sicher. Der Boden besteht oft aus nacktem Fels und Geröll, also wäre festes Schuhwerk wohl angemessen. Ich kam aber mit meinen Schlappen auch gut zurecht. Jahrelanges Training mit sogenannten Trekkingsandalen, die nur etwas besser sind. Aber nicht wirklich. Mehrere Bastionen kann man besichtigen. Benannt nach großen Feldherren. Themistokles (Sieger von Salamis), Milthiades (Sieger von Marathon), Achilles (Sieger von … Troja?… naja, er hat den Sieg eigentlich nicht erlebt. Egal.) und noch einige mehr. Ich kann das alles nicht einschätzen. Jedenfalls ist diese Festung 1822 vor 200 Jahren kampflos von den Osmanen an die Griechen übergeben worden. Einen Teil davon hat man als Gefängnis genutzt. Ein winziger Kerker für eine griechische Berühmtheit ist erhalten, man kann hineinkriechen. Es ist grauenhaft. Man muss sich vorstellen, wie dunkel und eng es gewesen sein muss. Ich glaube, der Grieche ist später hingerichtet worden. Das könnte man fast als Gnade bezeichnen. Über frühere Gefängnisse will ich mir gar keine Gedanken machen. In Corfe, England, hat ein Führer mal über ein sogenanntes Oubliette berichtet. Unfassbar. Lebendiges Begraben, anders kann man es wohl nicht bezeichnen. So sah das hier übrigens auch aus.
Man kann übrigens auch zur Festung hinauffahren, es gibt eine Straße und einen Parkplatz. Nicht, dass es für mich einen Unterschied gemacht hätte.

Ich genoss noch ein wenig die Aussichten, bevor ich mich auf den Rückweg machte. Erst als ich mit zitternden Beinen unten angekommen war, merkte ich, wie erschöpft ich war. Ich kroch förmlich zum Fahrrad, aß einen Spinach-Feta-Pie und schleppte mich dann in die Altstadt. Dort setzte ich mich fast sofort in mein übliches Café und ruhte mich bei einem Espresso Freddo zwei Stunden lang aus. Diese Zeit brauchte ich tatsächlich. Auch die Anfahrten hierher sitzen mir immer in den Knochen. Dazu kam dann noch der Auf- und Abstieg heute. Das war anstrengend, ich gebe es zu.
Nach meiner Pause stand die Sonne hoch am Himmel. Wieder war es ungemein heiß, aber nicht mehr ganz so drückend wie die Tage zuvor. Wird es vielleicht wirklich etwas kühler? Ich hoffe es etwas. Der Sommer ist schon grandios, ein wenig Kälte kann aber auch nicht schaden, wenn man das überhaupt so bezeichnen kann.
Ich lief noch einmal durch die Stadt, entdeckte Orte, die ich noch gar nicht gesehen hatte. Besonders am Wasser. Die Atmosphäre hier ist wirklich einmalig. Entspannt, luxuriös, wohlgestaltet und logisch. Das Schachbrettmuster der Straßen lässt keine Überraschungen zu.
Auch einen kurzen Gang zu den neueren Teilen der Stadt machte ich, konnte mich damit aber gerade nicht anfreunden. Ich hielt mich eigentlich auch eher an der Hauptstraße auf.

Dann war es genug. Ich aß noch die zweite Spinattasche, was ich bereute. Sie liegt mir jetzt noch im Magen. So etwas kann man nur in Maßen genießen. Nicht in Massen. Ich habe davon jedenfalls erst einmal genug.
Und jetzt sitze ich hier und werde wohl morgen noch nicht abfahren. So kann es kommen. Auch habe ich noch nicht entschieden, wie es weitergehen soll. Na ja, es wird schon Möglichkeiten geben. Soll es kommen, wie es will. Ich bin jedenfalls bereit dazu.
Und morgen ist Sonntag.
Und das bedeutet: Ruhetag!