Der letzte Eintrag.
Es ist einige Tage her, seit ich das letzte Mal geschrieben habe. Nicht so schlimm.
Die Abfahrt aus München war so anstrengend, wie ich es erwartet hatte. Um vier klingelte der Wecker, im Dunkeln baute ich das Zelt ab, in der Hoffnung, meine Zeltnachbarn nicht zu sehr stören zu müssen. Es ging schneller als erwartet, sodass ich am Ende sogar Zeit hatte. Gegen halb sechs oder ein wenig später machte ich mich dann auf den Weg. München lag still vor mir, um diese Uhrzeit war kaum jemand unterwegs. Vorbei ging es an der Isar, die ihre Kühle verbreitete. An der Festwiese und am Bahnhof, bis ich schließlich sehr zeitig den Busbahnhof erreichte. Er hat wie alle seiner Art immer etwas Schmuddeliges. Auch wenn er nicht bedrohlich wirkte. Hier waren schon einige Leute unterwegs, Busse fuhren ein und ab. Meiner nach Prag kam pünktlich. Es war letztlich Routine, die letzten Zweifel meinerseits mein Faltrad betreffend waren zerstreut. Ich habe immer ein wenig Sorge, dass die Fahrer das Rad nicht an Bord nehmen wollen. Letztlich war alles kein Problem, ich hatte sogar einen Zuschlag für Extra-Gepäck bezahlt.
Fünf Stunden dauerte die Fahrt, die Zeit verging wie im Flug.
Und dann erreichte ich Prag, wo Ehefrau Nina bereits auf mich wartete. Diese Reise rundete sich allmählich ab.
Wie es oft so ist, schrieb ich die letzten Tage nichts. Das Journal ist für mich eher eine Art, meine persönlichen Erlebnisse zu verarbeiten, wenn ich alleine reise.
Prag erlebten wir wie immer zu Fuß. Sicher waren wir bereits ein Dutzend Mal hier, sodass wir nicht immer das Bedürfnis verspürten, zu jeder Tages- und Nachtzeit etwas erleben und erkunden zu müssen. Jahrelang waren wir in Vinorhady untergekommen, doch die Wohnung existiert nicht mehr auf Airbnb. Also entschieden wir uns für etwas neues, neues Appartment, neue Umgebung. Smichov Andel, auf der anderen Seite der Moldau, in einer Gegend, die wir bis dahin nicht kannten.
Es war schön, die Nähe zum Fluss, zu den Uferpromenaden, freute uns besonders. An drei Abenden gingen wir noch einen Wein trinken, die vielen Bars sind so zahlreich, dass es immer irgendwo einen Platz für uns gab. Auch das Wetter spielte mit, auch wenn der Herbst nun tatsächlich nicht mehr zu leugnen war. Aber selbst zu späteren Stunden war es kein Problem, noch draußen sitzen zu können. Es war himmlisch.
Und Prag ist hip, fast hipper als Berlin.
Auf dem Streetfood Markt Manifesto verbrachten wir ebenfalls Stunden. Mehr aber noch flanierten wir durch die Stadt. Natürlich in Vinorhady. Zum Weinberg, auf dem Platz Jiřího z Poděbrad mit der wohl hässlichsten, aber charismatischsten Kirche der Welt. Oder zumindest von Prag.
Natürlich liefen wir auch Kleinseite ab und das Zentrum, das allerdings mit Touristen angefüllt war. Besonders das Wochenende war gruselig. Viel zu viele Leute. Meistens ignorieren wir die touristischen Stätten gänzlich. Aber es war drei Jahre her, seit wir Prag das letzte Mal besucht hatten, also liefen wir zumindest einmal durch.
Ich könnte jetzt nicht sagen, dass unser viertägiger Aufenthalt einen speziellen Höhepunkt hatte. Es war eher ein langsames Wiedersehen, alte Orte, die wir neu entdecken konnten. Mich wunderten die Preise, die allesamt Berliner Niveau erreicht haben. Und das bei Einkünften in Prag, die weit unterhalb von denen in Deutschland liegen. Wahrscheinlich wissen aber die Prager eher, wo sie günstig ausgehen können. Oder viele von ihnen verdienen inzwischen besser als ich denke.
Vorgestern dann ging meine Reise endgültig zu Ende.
Um halb drei am Nachmittag bestiegen wir problemlos den Bus nach Berlin Südkreuz.
Als wir dort angekommen waren, schnallte ich das Gepäck das letzte Mal auf das Faltrad. Es war mir in diesem Augenblick durchaus bewusst. Und es kam mir unwirklich vor, dass alles so gut gehalten hat. Vier Monate hatte ich Europa bereist, von einer Ecke in die andere. Schon in diesem Augenblick setzte Nostalgie ein. Zufrieden kam ich zu Hause an. Unsere beiden Katzen warteten auf mich, rumorten die ganze Nacht in der Wohnung, wahrscheinlich weil sie mich doch nicht sofort erkannt hatten. Oder weil sie aufgeregt waren, dass ich wiedergekommen bin. Wir werden es nie erfahren.
Es war gut, wieder zu Hause zu sein. Die Zeit im winzigen Zelt ist vorbei, das Reisen, die neuen Orte. Jetzt muss ich langsam wieder in die Routine des Alltags zurückfinden. Es wird schon gehen, auch wenn es mir etwas schwerfällt. Ich werde die nächsten Tage damit verbringen anzukommen. Ganz langsam. Noch bin ich nicht vollends angekommen, noch wirkt alles fremd und unwirklich. Aber das ist normal, das kenne ich. Erst in zwei bis drei Wochen werde ich damit beginnen, diese Reise aufzuarbeiten, die Texte hier zu veröffentlichen und die Fotos zu sortieren. Bis dahin möchte ich ein wenig reflektieren. Was alles geschehen ist. Das Land, in das ich zurückgekehrt bin, scheint anders. Die Inflation hat ihre Spuren hinterlassen. Die Welt ändert sich dieser Tage. Ich bin dabei weniger skeptisch und pessimistisch als andere. Vielleicht gelingt die Energiewende, vielleicht auch die Politik, die sich einer eher moralischen Handlungsweise zuwendet. Man sieht ja, wo man hinkommt, wenn man Terrorregime wie Russland gewähren lässt.
Aber das führt jetzt zu weit.
Ich lasse es jetzt ruhig angehen. Und fahre nächste Woche erst einmal zur Datsche. Mal sehen, was der Sommer auf dem Grundstück angerichtet hat. Wahrscheinlich nichts Gutes. Trocken und heiß.
Ich bin gespannt.
Es wird eine Weile dauern, bis ich die Reise verdaut habe. Aber schon jetzt denke ich an die sonnigen Momente zurück, an die vielen Orte, die ich habe sehen dürfen. Die vielen Höhepunkte, die anstrengenden Augenblicke und Hochgefühle, wenn man diese überwunden hat. Ich habe übrigens einige Kilos abgenommen. Kein Wunder, es war physisch anspruchsvoll. Mental auch.
Jetzt werde ich mir also eine winzige Auszeit gönnen, um dieser fantastischen Reise auch gerecht zu werden.
Aber wie immer gilt: Nach der Reise ist vor der Reise. Auch wenn ich nächstes Jahr zu Hause bleibe, irgendwann fahre ich wieder. Wenn die Zeit es weiterhin gut mit uns meint und wir finanziell, körperlich und mental dazu in der Lage sind.
Ich bin aber guter Dinge.
Und das ist das Wichtigste.