Der erste September, meteorologischer Herbstanfang.
Und so wirkte es sich auch an diesem Morgen. Es ist kalt. Wirklich kalt. Nach dem Regenguss gestern haben die Temperaturen merklich abgenommen. Noch vor einigen Tagen in Italien in Rovereto lagen sie auf sommerlichem Niveau, auch nachts. Das ist wohl endgültig vorbei. Es wird also allmählich Zeit, diese sommerliche Reise zu beenden. Und das ist ja auch der Fall.

Ich habe mir einige Gedanken gemacht.
Wahrscheinlich unterliegt auch eine Reise einem gewissen Spannungsbogen. Anfangs geht es steil bergauf, Höhepunkt folgt auf Höhepunkt. Und irgendwann sind diese überschritten und es geht allmählich abwärts. Ich würde den Zeitpunkt, wann das eingetreten ist, nicht festlegen wollen, aber es ist merklich nach meiner Rückkehr nach Italien aus Griechenland ruhiger geworden. Die letzten 14 Tage habe ich diese Reise zwar nicht abgewickelt, aber dennoch nicht mehr so sehr forciert, wie das am Anfang noch der Fall war. Auch hier in München merkte ich das heute. Schon gestern hätte ich in ein Museum gehen können, Regenwetter ist dazu ja wie gemacht. Aber ich hatte keine Lust darauf. Heute noch weniger. Noch nicht einmal recherchiert habe ich. Trotzdem habe ich ein wenig an der Seele der Stadt geschnuppert, so denke ich. Mein Weg führte mich wieder über den Isarradweg ins Zentrum. Es war bitterkalt auf dem Rad, der Wind war eisig und ich hatte alles an, was ich dabei hatte. Das ist nicht viel, es war allerdings nicht genug. Vor fünf Wochen hatte ich meine feste Regenjacke mit dem Paket nach Deutschland zurückgeschickt. Die fehlte hier an allen Ecken. Gestern schon. Aber es hilft kein Lamentieren. Unter der Wolkendecke blieb es den ganzen Vormittag hinweg kühl, aber es war besser, als ich die Innenstadt erreicht und vom Rad abgestiegen war. Ich glaube nicht, dass es heute mehr als 20 Grad waren. Im Grunde reicht das aber vollkommen mit einer Fleecejacke, wenn es nicht regnet.

Die Fußgängerpassage ließ ich hinter mir, flanierte in Richtung Norden. Kam dort an den Arkaden vorbei, die so sehr an Florenz erinnern. Nun, ohne die Renaissance-Skulpturen natürlich. Dennoch. Von hier aus war es nicht mehr weit zum Englischen Garten. Eine Parklandschaft, die mich an den Tiergarten in Berlin erinnert. Grüne Felder, ein paar Wälder, Kastanien, die bereits ihre Früchte abwerfen. Und mich wirklich daran erinnern, dass es Herbst ist. Langsam aber lugte die Sonne hinter den Wolken hervor, es wurde dann sogar heiß, bis sie wieder verschwand oder ich in den Schatten kam. So kann es gehen. Vor zwei Wochen noch konnte ich mich vor Hitze kaum retten. Jetzt ist alles anders.
Ich lief an dem runden Tempel vorbei, erreichte den chinesischen Turm. Im Grunde nur ein Biergarten, aber warum nicht? Hier ist alles voll damit. Nichts für mich, aber das ist schon in Ordnung so.
Ich genoss den Spaziergang durch den Park. Schwenkte irgendwann ein in Richtung Stadt, wanderte dann durch das Studentenviertel an den Unis vorbei. Interessant. Wahrscheinlich trifft man hier viel eher auf das echte München als im Zentrum. Aber das ist überall so. In Berlin findet man das echte Berlin auch nicht in Mitte, eher in Kreuzberg oder Neukölln, wahrscheinlich aber in Rudow in der Gropiusstadt. Das will natürlich niemand wissen. Auch das ist verständlich. Münchner Vororte habe ich jedenfalls nicht besichtigt.

Und irgendwann dann kam ich an einem Katzencafé vorbei. Unfassbar. Ich ging natürlich sofort hinein. Geluncht hatte ich schon Laugengebäck, wohl Standard hier in München. Aber ich ließ es mir nicht nehmen, ein Stück Apfelkuchen zu meinem Espresso zu bestellen. Viel zu viel. Katzen sah ich drei. Eine schlief in der Ecke, die anderen wanderten etwas unmotiviert zwischen den Beinen der meist weiblichen Klientel umher. Mich ignorierten sie vollständig. Wenigstens etwas ist noch normal. Ich dränge mich Katzen nicht auf. Wenn sie kommen wollen, kommen sie. Wenn nicht, dann nicht. In Griechenland konnte ich sie mit Futter anlocken, das ging hier natürlich nicht. Trotzdem war es nett in dem Café. Ich blieb eine Weile, weit über eine Stunde. War nicht schlimm, es war nach der Mittagspause, da wurde es sowieso irgendwann leerer.

Nach dieser Episode lief ich noch ein wenig durch die angrenzenden Viertel. Es sah ein wenig aus wie im Prenzlberg, nicht ganz so shaby-vornehm. Ein Gefühl für die angenehmen Viertel hier habe ich noch nicht, das nächste Mal werde ich das aber nachschlagen.
Und schließlich erwischte mich die Fußgängerpassage doch noch. Ich hatte gesehen, dass es heute Nacht noch kälter werden soll. Ich musste also etwas kaufen, um die morgige Fahrt zum Busbahnhof zumindest etwas abzufedern. C&A, TKMax, Kaufhof, ich fand nicht das Richtige. Eine Jacke wollte ich nicht kaufen, das schien mir zu viel. Also lief ich am Ende wieder zu Decathlon und kaufte die einfachste Regenjacke. Leicht, aber sicher effektiv bei Gegenwind und Kälte auf dem Rad. Es wird schon, ist ja nur eine halbstündige Fahrt.
Und dann ging es wieder an der Isar entlang. Die Sonne schien nun warm und angenehm, ohne die Intensität und Hitze der vergangenen Tage. Ich setzte mich an die Isar. An der Seine in Paris habe ich diese Reise begonnen, an der Isar beende ich sie.
Das stimmt natürlich nicht, ich beende sie an der Moldau in Prag, aber das ist ein vollkommen anderer Abschnitt. Ehefrau Nina ist mit dabei. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich darüber schreiben werde. Vielleicht nicht jeden Tag.

Morgen dann also beginnt der letzte Abschnitt. Es passt. Es ist gut so. Ich empfinde keine Nostalgie. Es wird die letzte Nacht im Zelt. Ich mag zelten, aber es reicht allmählich. Die Enge, die ständige Versorgung, im Grunde täglich, das morgendliche Aufstehen, die steifen Glieder. Letztere werde ich bestimmt auch zu Hause haben.
Jetzt folgt erst einmal meine letzte Yogasession. Das werde ich allerdings vermissen. Aber Yoga mache ich natürlich weiter, so wie seit Jahren schon morgens und abends.
Ich bin nicht in der Stimmung für eine Revue. Diese Reise spricht für sich selbst, finde ich. Es ist der natürliche Gang, dass sie vorübergeht.
Und irgendwann beginnt sowieso wieder eine andere.
Erst einmal aber nicht. Nächstes Jahr werde ich nicht allein wegfahren. Sommer auf der Datsche. Das ist wundervoll, auch wenn es immer wieder viel selbst auferlegte Arbeit ist. Ich vermisse sie ein wenig, freue mich auch schon darauf, den Herbst dort zu verbringen, zumindest einige Tage. In zwei Wochen ist es so weit.

Morgen besteht mir erst einmal eine anstrengende Fahrt bevor. Ich muss um kurz nach vier aufstehen, mein Bus geht um sieben. Ich werde es überleben, aber diese Gewaltabschnitte der Reise werde ich nicht vermissen. Es war nie wirklich gemütlich, aber das war auch niemals meine Intention, auch wenn ich manchmal jammerte.
Ich freue mich jetzt auf Prag. Und auf das Wiedersehen mit Ehefrau Nina.
Das muss auch endlich mal gesagt werden.