Ein merkwürdig stiller Tag voller Erwartungen.
Nach wieder einmal einer fast durchwachten Nacht, der Grund war dieses Mal 30something Franzosen, die bis in die frühen Morgenstunden diskutierten, lachten, brüllten, wachte ich trotzdem pünktlich um sieben auf, ein wenig später als sonst. Es machte an diesem Tag überhaupt nichts, denn das einzige, das ich zu tun hatte, war, auf die Fähre um 23:30 zu warten, was ich auch jetzt noch mache.
Ich hätte den Tag zum Teil noch zu einem Besuch in Hyère nutzen können, dabei aber mein Gepäck auf dem Zeltplatz zurücklassen müssen. Es wäre sicher gegangen, immerhin haben sie es angeboten. Doch mir war nicht danach. Irgendwie war ich fertig mit der Gegend. Keine Lust mehr. Trotzdem ließ ich mir mit allem Zeit, ging einkaufen, fuhr an der Touristeninfo vorbei, um ein wenig zu surfen, merkte dabei aber, dass ich das Internet kaum vermisse, wenn es mal nicht da ist. Wenn es da ist, verbringe ich noch viel zu viel Zeit damit, wenn auch nicht so viel wie zu Hause.
Gegen Mittag war ich jedenfalls wieder auf dem Platz, verbummelte meine Zeit. Es ist so eigenartig, aber ein Sonntag lädt fast dazu ein. Es gibt so viele Arten, seine Zeit zu verbringen, ab und zu kann man auch mal verschwenderisch damit umgehen. Ich überlegte, was ich noch machen könnte, kam aber nicht wirklich auf gute Ideen. Die Strände reizten mich nicht, war es doch wieder brennend heiß und drückend. Und ohne Schatten funktioniert so etwas nicht. Schließlich fuhr ich in die Stadt, trank in einer Boulangerie einen Kaffee, aber auch hier hielt es mich nicht lange. Wieder eine kurze Internet-Session, dann machte ich mich auf den Weg zum Platz, wo ich vorher alles gepackt und die riesige Reisetasche auf der Veranda eines nicht genutzten Tropenzeltes versteckt hatte. Irgendwann aber fand ich, dass ich meine eigene Geduld zu weit expandiert hatte. Ich musste jetzt los, egal, was kommen sollte. Und so kam es, dass ich die Strecke nach Toulon gegen halb vier gemächlich in Angriff nahm. Es war keine Anstrengung, ein wenig heiß, aber auszuhalten.
Und da stand ich nun. Ich suchte den Weg zum Strand am Rand der Stadt, nicht weit entfernt vom Fährhafen. Hier ist ein Park mit Bäumen. Und hier verbringe ich gerade meine Zeit. Es ist kurz vor sechs, eigentlich müsste ich Yoga machen, aber dazu bin ich nicht narzisstisch genug. Zu viele Leute. Noch immer ist die Abfahrt der Fähre fast sechs Stunden entfernt. Ich glaube, dass es hart wird. Aber eines ist sicher: Zeit vergeht. Immer. Und so werde ich heute Nacht auf der Fähre nach Ajaccio sein. Nichts wird mich davon abbringen.
Ich genieße gerade die Aussicht auf die Bucht von Toulon. Keine Ahnung, warum sie touristisches Niemandsland ist. Mir gefällt es hier. Die Inseln und Halbinseln dieser Gegend liegen im Dunst hinterm Meer. Ich bin, wie es scheint, am Ende des französischen Festlandes auf dieser Reise angekommen. Eigentlich hatte ich geplant, diese Zeit nur in Frankreich zu verbringen. Aber daraus wird offensichtlich nichts. Ist auch egal, es ist kein Dogma. Ich reise jetzt dahin, wo ich Lust habe. Und wie lange ich auf Korsika bleiben werde, weiß ich auch noch nicht. Aber so langsam gestaltet sich die Reiseroute, wenn auch nur nebulös. Es gibt noch so viele Unbekannte, die größte meine eigene Laune. Und das empfinde ich als heilsam. Ich kann gehen, wohin ich will. Ich muss nicht irgendwann irgendwo sein. Und das ist neu, auch auf dieser Reise.
Es war ein kurzer Eintrag heute.
Aber auch wenn an diesem Tag nicht viel geschehen ist, war er doch wichtig. Genauso wichtig wie all die anderen Tage.