Düstere Regenwolken wechselten sich heute Morgen mit sonnigen Abschnitten ab.
Dabei war es durchaus warm, wenn auch lange nicht so heiß wie an den Tagen zuvor. Doch das Donnern war immer irgendwo zu hören. In Richtung Gardasee hatte sich der Himmel dunkellila verfärbt. Ich ahnte, dass es mich heute doch noch mal erwischen würde. Irgendwann musste es regnen. Das stand fest. Das Risiko für eine Wanderung war mir daher zu hoch. Ich steckte in einem Dilemma.
Denn Wandern war irgendwie das Einzige, das ich hier noch machen wollte. Ich hatte die Wahl, den ganzen Tag auf dem Campingplatz zu verbringen, vielleicht sogar im Zelt, oder mir etwas anderes zu suchen. Und das schnell, denn der Regen würde bald einsetzen.
Also beeilte ich mich, als ich mich entschieden hatte, noch einmal nach Rovereto zu fahren, um mir ein weiteres Museum anzusehen. Als ich gegen neun tatsächlich bereit war zum Aufbruch, tröpfelte es bereits. Aber ich wusste, dass ich dem Regen davonfahren würde. Also beeilte ich mich nicht zu sehr. Erst einmal kaufte ich Lunch ein. Es dauerte nur einige Minuten und als ich fertig war, hatte ich sogar den Eindruck, dass der Himmel etwas heller wurde. Ein Blick zurück aber zeigte mir, dass das nicht ganz richtig war. Es war so düster hinter mir, dass ich mich davonmachte.
Tatsächlich kam ich trocken in Rovereto an.
Es war ein ruhiger Samstag. Für mich fühlte es sich aber tatsächlich so ruhig an, dass ich an diesem Tag nur ein Notprogramm durchlaufen würde. Etwas halbherzig stürzte ich mich in mein Abenteuer.
Das Museum Casa d’arte futurista Depero gehört zum MART. Und ich hätte eigentlich ein Kombiticket kaufen können. So aber zahlte ich extra, was nicht der Rede wert war. Es handelte sich um ein Museum, das der Künstler Depero gestaltet hat, zumindest habe ich das so verstanden.
Es ist eine Kunstrichtung, die für mich vollkommen neu war und ist. Und wie es oft geschieht, fand ich dazu auch keinen einfachen Zugang. Ich hätte ihn vielleicht bekommen können, wenn es mehr Informationen gegeben hätte.
Aber eins nach dem anderen.
Das Museum besteht aus drei Etagen, ist in einem historischen Gebäude untergebracht. Die futuristischen Gemälde betrachtete ich interessiert, aber ohne Verständnis. Sie erinnerten mich ein wenig an den Film Metropolis, eigenartige roboterähnliche Gestalten. Auch Möbel hat Depero entworfen, sie sind ebenfalls ausgestellt.
Man merkt vielleicht, dass ich nicht viel berichte. Aber die Ausstellung ging ein wenig an mir vorbei. Denn es gab keine Informationen. Nirgends. Keine Tafeln mit Erklärungen, keine Filme. Nichts. Ohne Zusammenhang lief ich also durch die drei Etagen. Und drang nicht zur Kunst durch. Ich bin nicht jemand, der Kunst auf Anhieb versteht, so weit geht meine Fantasie oft nicht. Aber so schwer wie heute habe ich mich selten getan. Oft bekomme ich Zugang über die Beschäftigung mit einem Künstler. Wenn ich ihn als Mensch beginne zu verstehen, fange ich auch an, seine Kunst zu begreifen und schätzen zu lernen. Es ging mir mit Klimt so und auch mit Schiele. Oder Monet und van Gogh. Und noch vielen anderen. Über Depero aber muss ich erst noch lesen, um wirklich zu sehen. Denn was ich heute gesehen habe, ist eher nichts. Es ist schade, wenn Depero hier wirklich gelebt hat, so wie es aussieht, wäre es gut gewesen, wenn sich das Museum zu Ehren des Künstlers etwas Mühe gegeben hätte. Es kommen doch nicht nur Experten in ein Museum, schon gar nicht in ein solch spezielles. Oder doch? Kennt diesen Künstler jeder und nur ich bin ignorant? Kann natürlich sein. Der Witz aber war, dass ich nach einer halben Stunde durch die Ausstellung durch war. Und dabei war ich noch langsam, die Besucher, die mit mir zusammen gekommen sind, waren längst verschwunden, andere hatten mich überholt. Ich habe also zumindest versucht, hier Sinn zu finden. Aber es ist mir nicht gelungen. Trotzdem werde ich recherchieren. Meinen Besuch bereute ich indes nicht. Er war keine Zeitverschwendung, aber nicht befriedigend.
Mal sehen, ob ich noch mehr herausfinde.

Nach diesem Besuch lief ich noch durch die Stadt. Hier war ich eher in meinem Element. Die Geschäfte hier schließen gegen halb eins, es war aber noch früh genug, so dass ich die Gassen lebendiger als sonst erlebte. Es ist schön, einfach zu flanieren. Ich fand den Bahnhof, informierte mich über die morgigen Züge, lief nochmals durch die Stadt.
Das Wetter schlug allmählich wieder um. Während meines Museumsbesuchs hatte es kräftig geregnet. Das drohte jetzt auch.
Und irgendwie hatte ich auch den Eindruck, mit der Stadt fertig zu sein. Es gibt auf Reisen immer einen Moment, an dem man weiterreisen muss. In Nafplion vor zwei Wochen hatte ich diesen Augenblick lange überschritten. Hier noch nicht ganz, aber es ist Zeit. Bei besserem Wetter und möglichen Wanderungen sähe es anders aus, aber das scheint nicht möglich, das Wetter spielt nicht mit.
Also entschied ich mich zum Platz zu fahren, bevor der Regen wieder einsetzte. Unterwegs sah ich noch zehn Minuten einem Fußballspiel zu, bevor ich die Tropfen zu spüren begann. Ich hatte wirklich Glück. Auf den letzten zwei Kilometern regnete es ein wenig stärker, aber zwei Kilometer auf dem Rad sind nichts. Ein paar Minuten. Erst, als ich das schützende Zelt erreicht hatte, begann es wirklich.

Es hat ja etwas Beruhigendes. Etwas Schützendes, bei Regen im Zelt zu sitzen. Es hat auf dieser viermonatigen Reise vielleicht vier Regentage erlebt. Das ist gar nichts. Ich hatte wirklich Glück. Und ich genoss die vielleicht 25 Grad. Angenehm. Erholsam. Die Hitze scheint vorbei zu sein, moderate Temperaturen werden mich jetzt wahrscheinlich begleiten. Es ist komisch, aber ich freue mich darauf. Es war schon sehr heiß die letzten Monate.
Morgen fahre ich nach Bozen. Mal sehen. Ich war schon einmal da, weiß aber nicht mehr genau wann. 1994 wahrscheinlich. Oder ein Jahr später. Ich erinnere mich tatsächlich nicht. Die Dolomiten sind für mich trotzdem eine Art Traum. Als Kind waren wir einmal hier, Anfang der 80er, also vor 40 (!) Jahren. Geißlerspitzen. Ich habe sie nie wieder gesehen, kann mich daran aber noch gut erinnern. Wie alt war ich? Acht? Neun? Zehn? So in dieser Richtung. Wenn ich zurückdenke, ist es eigenartig. Von den sechs Erwachsenen, die damals dabei waren, lebt nur noch einer. Pfarrer Lischka, zumindest soweit ich weiß. Nun, es sind mehr als 40 Jahre vergangen. Aber auch von den Kindern ist bereits eines tot. Uwe. Suizid. Ich weiß nicht, ob ich das veröffentlichen sollte.
Bevor ich hierherkam, hatte ich kurz überlegt, ob ich in dieses Vilnößtal fahren sollte. Und es zieht mich auch dorthin. Aber nicht auf dieser Reise. Das muss ich im Juni oder mal im September machen. Und vielleicht nicht aus nostalgischen Gründen.
Es sind Gedankenfetzen, die gerade unausgereift aus mir herausprasseln. Ich muss mal überlegen, was ich eigentlich möchte. Denn das scheint alles andere als klar zu sein.
Jetzt werde ich erst einmal den letzten Abend hier genießen.
Und mich ab Morgen langsam an das Ende der Reise gewöhnen. Denn das ist auch wichtig. Sie war nicht immer leicht, meist aufgrund äußerer Einflüsse, die ich nicht kontrollieren konnte. Aber trotzdem war sie rund, diesen Eindruck habe ich zumindest. Sie verlief anders als geplant. Aber das ist das Schöne daran. Es war richtig so. Jeder Tag. Jede Stunde. Manchmal schnell, manchmal langsam. So wie Yoga übrigens. Immer im richtigen Rhythmus. Atme.