Die Nacht war die wärmste auf dieser Reise. Nie kam mein Körper zur Ruhe, er transpirierte, wälzte sich, hatte noch etwas Rückenschmerzen. Ich weiß nicht, ob ich so etwas wie eine Tiefschlafphase erreichte.
Gegen sechs wachte ich auf und hatte genug. Eile verspürte ich nicht, warum auch? Sechs Stunden hatte ich Zeit, bis die Fähre ablegen würde. Genug Zeit also für meine Morgenroutine.
Gegen sieben sollte die Bar des Campingplatzes öffnen, gerade richtig also für das Frühstück, wollte ich mir doch einen letzten (und überhaupt erst zweiten) Cappuccino in Italien gönnen. Leider war die Bar noch nicht auf. Und mir war nicht nach Warten zumute. Im Nachhinein finde ich das albern, ich hätte sicher 15 Minuten Zeit gehabt. So also bereitete ich mir einen Instant-Espresso am Zelt zu. Ich weiß nicht. Es ist nicht dasselbe.
Gegen acht wusste ich nichts mehr mit mir anzufangen. Das Packen hatte ich schon vorher begonnen. Ich vermisste meinen Fast-Charger, den ich nun leidenschaftlich begann zu suchen. Der Witz ist, dass es auf einer Reise wie dieser nicht viele Möglichkeiten gibt, wo er hätte sein können. Die Zahl der Taschen ist sehr begrenzt und es betrübte mich, dass ich ihn nicht fand. Wahrscheinlich liegt er irgendwo, wo ich ihn verloren habe. Oder jemand anderes hat ihn gefunden und nutzt ihn jetzt. Es ist erst das zweite Stück Ausrüstung, das spurlos verschwindet. Meine Emaille-Espressotasse kam in Bonifazio abhanden. Der Fast-Charger ist leider teurer, ich weiß noch nicht, ob ich ihn ersetze. Schließlich habe ich noch einen normalen mit, der aber wesentlich langsamer lädt. Es hilft nichts, so etwas geschieht auf solchen Reisen. Manchmal geht auch etwas kaputt, wie meine Fahrradtasche. Aber die habe ich reparieren können. Ein Wunder, dass alles andere gehalten hat, schließlich ist die Abnutzung insgesamt ziemlich groß.

Lange Rede, gegen halb zehn also wurde mir zu langweilig und ich machte mich auf, den letzten Kilometer zum Schiff zu radeln. Ich hatte es gegen halb acht bereits einfahren sehen, vom Campingplatz aus lag es keine hundert Meter entfernt. Als ich ankam, wurde noch entladen, sodass ich eine Stunde im Schatten des Hafengebäudes ausharrte. Das Warten lernt man auf Reisen. Schon am Tag zuvor hatte ich eine Stunde am Bahnhof in Triest verbracht. Es vergeht wie im Flug.
Und dann radelte ich zum Einchecken an die Mole. Es war eigenartig. Wir mussten durch die Sicherheitskontrolle. Meine Taschen musste ich leeren, meinen Rucksack und die Lebensmittel, wahrscheinlich an die drei Kilo Nettogewicht, zum Scannen auf das Band legen. Meine immense Tasche auf meinem Rad aber wurde daran vorbeigeschoben. Was macht es für einen Sinn, nur einen kleinen Teil des Gepäcks zu scannen? Kann man sich das nicht komplett sparen? Covidtests oder Impfbescheinigungen interessierten niemanden mehr. Überall hingen noch Schilder, die daran erinnerten, Abstand, Maske etc. Aber es interessiert keinen Menschen mehr. Diese Seuche ist vorbei. Zumindest in den Köpfen.

Mein Rad stellte ich im Bauch der Fähre ab, räumte die Reisetasche vorher herunter. Immerhin habe ich vor, mich auf dem Schiff für die 35 Stunden praktisch häuslich einzurichten. So wie das jeder hier macht, wie ich merkte. Auf dem Deck 9 also belegte ich einen Tisch mit zwei Salonsesseln, einer trug noch einen Aufkleber, der daran erinnerte, dass man ihn eigentlich nicht benutzen sollte. Covid. Es erscheint nur noch als ferner Hauch einer ungewöhnlichen Zeit. Keine Masken mehr, auch kein Abstand. Und ich muss gestehen, dass ich nur sehr selten daran denke, dass noch immer die Möglichkeit besteht, dass ich mich anstecken könnte.

Die Abfahrt des Schiffes verzögerte sich, erst 45 nach 12 legten wir ab. Und hier sind wir nun, haben fünf Stunden der vorgesehenen 30 oder 32 Stunden hinter uns. Meine Vorräte schrumpfen, mal sehen, ob sie reichen. Das Essen an Bord ist ungemein teuer und ich bereue es, nicht doch eine Flasche Wein mit an Bord genommen zu haben. Es wäre leicht gewesen. Aber es tut mir ganz gut, mal ein paar Tage ohne auszukommen. Ich habe bislang mehr getrunken als mir lieb ist. Gestern und heute aber bleiben wir mal nüchtern.
Ich habe an Bord sogar einen Ort gefunden, der derartig einsam ist, dass ich fast ungestört eine halbe Stunde Yoga machen konnte. Nur ein älteres Ehepaar hatte sich vorgenommen, jeden Winkel des Bootes abzulaufen und entdeckten mich. Sie störten mich aber nicht.
So, morgen um die Zeit werden wir noch lange nicht da sein. Und ich kann mir die Zeit vertreiben. Es wird nicht so schwer, Netflix, Prime, alles ist da.
Und meine Term-a-Rest-Matte liegt auch schon auf dem Boden neben den Sesseln und markiert meinen Schlafbereich. Manche Leute hier haben sich sofort hingelegt, als sie an Bord gekommen sind. Und sind bis jetzt nicht mehr aufgestanden. Mal sehen, ob die meisten noch leben. Es wäre ein Witz.
Draußen an Bord ist es übrigens unglaublich angenehm. Der Fahrtwind hält die Hitze fern. Und die Urlauber trinken ein Bier nach dem anderen. Es herrscht eine entspannte Atmosphäre.

Eine Sache, über die ich noch kein einziges Wort verloren habe, ist der Geruch. Und zwar der würzige, strenge Geruch nach Kiefern am Morgen. Ich weiß nicht, warum ich es noch nicht erwähnt habe, aber seit ich im Süden bin, nehme ich ihn fast täglich wahr. Ich weiß auch nicht, ob es Kiefern sind. Etwas jedenfalls, das ich mit Reisen und Urlaub verbinde. Entspannung. Natur. Und unfassbare Leichtigkeit des Südens. Es sind vielleicht Klischees, aber auch die kommen ja irgendwo her.
So. Und jetzt beginnt allmählich der Abend. Ich bin gespannt, wie diese Seereise werden wird. Auch wenn es sich eigenartig anhört, ich wollte das schon immer mal machen.
Und nun habe ich also eine Fährfahrt satt. Länger als alles, was ich bislang unternommen habe. Mal sehen, ob ich morgen um diese Zeit immer noch so rede oder ob mir die Warterei auf die Nerven geht.
Ich werde berichten.