Es war tatsächlich einer dieser Tage.
Ich erwachte mit einigen Rückenschmerzen, die mich die ganze Nacht gequält hatten. Vielleicht habe ich das Yoga mal wieder übertrieben, jedenfalls hatte ich Mühe, mich zu bücken. An Reisetagen ist so etwas wirklich hinderlich.
Der Himmel wollte sich übrigens am Morgen nicht aufhellen. Zwar lag eine warme Schwüle in der Luft, aber es blieb finster. Vielleicht hätte ich nicht aufstehen sollen. Aber ich nahm eine Ibu und begann, alles einzupacken. 45 Minuten vor der Abfahrt hatte ich mich am Gare Routière eingefunden und war nicht der Erste, der auf den Bus nach Bonifacio wartete, der schon bereitstand.
Irgendwann kam der Fahrer, ein lang aufgeschossener, dürrer und dunkler Korse mittleren Alters.
Wir packten unser Gepäck in die Gepäckablage, ich dachte mir nichts dabei, war froh, dass niemand sich beschwerte. Alles ging leicht, dachte ich. Ich bezahlte beim Fahrer im Bus.
Und dann ging es los.
Eine serpentinenreiche Fahrt, in die Berge Korsikas. Über Dörfer und kleinere Städte. Es war schön, es fühlte sich da oben vollkommen anders an. Die rustikalen Dörfer hatten einen besonderen Charme, die düsteren Hänge der Berge heute ebenfalls. Viele Wanderer waren unterwegs. Die Gegend ist sicher ideal dafür. Und so heiß war es auch nicht, da sich die Sonne weiterhin versteckte. Aber noch immer lag eine gewisse Schwüle in der Luft. Im grandios heruntergekühlten Bus merkten wir davon aber nichts, ich brauchte sogar eine dünne Jacke.
Und dann kam die Überraschung. Wir mussten wenige Kilometer vor Bonifacio umsteigen. Als der Busfahrer das zusammengefaltete Rad sah, wurde er wütend. Und zwar richtig. Ich sollte dem neuen Fahrer 15 Euro geben, so etwas wäre nicht gratis.
Woher sollte ich das denn wissen? Außerdem hatte er mein Gepäck vorher gesehen.
Der andere Busfahrer aber wollte kein Geld von mir, half mir sogar beim Gepäck.
Aber als wir in Bonifacio ankamen, begann er, mich wüst zu beschimpfen. Ich bot ihm das Geld an, entschuldigte mich, versuchte zu erklären. Und dann drohte er mir tatsächlich an, mich zu verprügeln, wenn ich noch einmal auftauchen sollte.
Ich muss gestehen, dass dieses Ereignis die Stimmung für den Tag vollkommen auf den Nullpunkt setzte. Mal ganz im Ernst, woher soll ich denn wissen, dass ein Faltrad hier etwas kostet? Es ist sonst in Frankreich überall umsonst, und wenn nicht, weisen Schilder darauf hin. Und selbst wenn, warum kann ein Fremder sich nicht irren? Wieso muss eine solche Beschimpfung sein?
Ich spielte mit dem Gedanken, in den nächsten Tagen abzufahren, Korsika zu verlassen. Zumal ich jetzt auch mit dem Bus nicht mehr wegkomme. Aber das ist eigentlich nicht so schlimm, meine nächste Etappe Porto Vecchio, liegt nur 25 KM entfernt, eine Strecke, die auch einfach genug ist. Trotzdem ärgert mich dieses Erlebnis noch immer.
Der Tag hatte schlecht begonnen und dann unheimlich nachgelassen.

Ich fuhr also mit düsterer Stimmung zum Campingplatz, widerstand der Versuchung, den nächst-gelegenen zu wählen, einem Durchgangsplatz voller Getümmel und Krach, auch von der nahen Straße. Jetzt bin ich etwas weiter draußen, es ist wesentlich stiller und friedlicher.
Ich ruhte mich kurz aus, dann machte ich mich auf den Weg zurück nach Bonifacio.
Es liegt spektakulär auf einem Felsen am Meer, zumindest die Haute Cité. Aber es herrschte Gewimmel wie in Venedig. Und irgendwie war es auch so. Oder Dubrovnik. Es ist sicher eines der Highlights Europas, das war mir gar nicht so bewusst. In der unteren Stadt klemmt sich ein Restaurant an das nächste. Am Hafen werden Touristen in die Ausflugsboote verfrachtet, die dann das Kap umrunden und auch die nicht weniger spektakuläre Küste mit irren Felsformationen ansteuern. Ich ging an allem vorbei, es war schade, aber ich hätte gerne heute etwas mehr Ruhe für diese unfassbare Schönheit gehabt. Im Grunde aber erholte ich mich langsam von dem Erlebnis mit dem Busfahrer, doch wich der Schrecken und die Wut kam hoch. Es war wirklich unfair, so empfand und empfinde ich es.

Ich stieg aber weiter auf, die steile Treppe zur Oberstadt mit der eindrucksvollen Festungsanlage. Irgendwann kommt dann ein herrlicher Ausblick auf die Küste dahinter zum Vorschein. Steile weiße Klippen mit wuchtigen abgetrennten Felsen, ein atemberaubender Anblick. Ich ging durch das Festungstor in die Stadt. Und es wurde voller. Auch hier prägen Restaurants das Bild, die in den alten Häusern untergebracht sind. Die Stadt ist nicht perfekt renoviert, ab und zu bröckelt der Putz. Aber das ist besonders charmant. Ich versuchte, mir die Massen wegzudenken, aber das ist schwierig. Irgendwann entschied ich mich dazu, morgen ziemlich früh herzukommen. Die meisten Touristen werden erst am späten Vormittag hier aufschlagen, wenn ich es also um acht oder halb neun hierher schaffe, habe ich vielleicht die Stadt ein wenig mehr für mich. Auch gibt es schöne Wanderwege die Küste entrang. Hier würde ich ebenfalls früh beginnen müssen. Denn es ist jetzt wieder heiß, nachdem die Sonne sich gezeigt hat.
Ich kann nicht sagen, dass es ein ereignisloser Tag war. Aber es war einer, an dem ich auch beinahe abgefahren wäre. Ich weiß nicht, ob ich dieses Erlebnis überwinden werde. Oder ob es den Aufenthalt hier nachträglicher prägen wird. Ich werde eben nicht gerne beschimpft. Schon gar nicht wegen solcher Nichtigkeiten. Kann auch sein, dass ich aufgrund anderer Erlebnisse gerade etwas empfindlich bin.
Ich denke, dass es meine Reise prägen wird. Hoffentlich aber nicht zu sehr.