Und es ist etwas kühler.
Zwar nicht auf dem Papier, da stehen und standen heute 31 Grad, aber schützende Wolken haben die Sonne verhüllt. Es fielen sogar ein paar Tropfen Regen, aber die schienen schon verdunstet, sobald sie auf etwas trafen. Die Schwüle ist allerdings noch erheblich. Jede Bewegung ist immer noch schweißtreibend, jeder Ausflug will weiterhin gut bedacht sein.
An diesem Tag ließ ich mir etwas mehr Zeit, so dachte ich zumindest. Letztlich aber verließ ich den Campingplatz um die gleiche Zeit wie gestern. Ein erster Weg führte mich zum Gare Routière, schließlich fahre ich morgen hier ab. Mal sehen, wie es wird. Das Problem besteht wohl darin, ob im Bus morgen genug Platz für mein Faltrad sein wird. Also im Grunde immer das Gleiche. Bis jetzt ist das alles gutgegangen. Hoffen wir, dass es so bleibt. Denn wenn ich auf Korsika nicht mit dem Rad reisen kann, sehe ich für meinen Besuch hier schwarz.
Erstmal sehen.

Heute also ließ ich es ruhiger angehen. Die fehlende Hitze tat mir gut. Eine kleine Radtour hatte ich mir vorgenommen, nichts Schweißtreibendes wie gestern, sondern ein gemütliches Fahren an der Küste entlang. Dafür nahm ich die Ausfahrtstraße von Ajaccio in Richtung Westen, zum Tour de la Parata. Im Hafen von Ajaccio lag einmal wieder ein großes Kreuzfahrtschiff. Ich bleibe dabei, sie sind der Tod des Tourismus, denn in ihrer schieren Masse an Touristen, die sie auswerfen, erdrücken sie alles Individuelle eines Ortes. Und ich merkte es sogar auf dieser Radstrecke.
Im Grunde ist sie nicht so schön, wie sie sein könnte. Vorbei an seelenlosen Ressorts und Hotels, die sich gleichen und deren moderne Gebäudearchitektur austauschbar ist. Auf der anderen Seite befinden sich meistens Restaurants. Aber auch der eine oder andere Strand. Heute, dank der Bewölkung, konnte ich mich das erste Mal in den Sand legen. Es war schön, natürlich extrem sandig, aber was hatte ich erwartet? Ein Restaurant fiel mir besonders auf. Ich habe ein Auge für solche Sachen, finde es interessant, wenn ich ein tolles Design sehe. Und dieses Restaurant mit seinen Korblampen, Holztischen und rohem Holz überall hätte aus der Cote Sud (französisches Design-Magazin) sein können. Das Meer war übrigens ausgesprochen friedlich, selten habe ich es derartig harmlos plätschern sehen. Aus Kreta kenne ich das ganz anders, aber dort wehte auch fast immer eine steife Brise. Die fehlt hier bis jetzt fast vollkommen.

Nach einer haben Stunde setzte ich meinen Weg fort. Es radelte sich tatsächlich leicht. Fast keine Steigungen, die Straße war gut, sodass ich gut vorankam.
Irgendwann kam ich am Wanderweg an, dem Chemin de Crète, den ich gestern von der anderen Seite aus gewandert war. Hier wäre ich also gelandet, wenn ich weitergelaufen wäre. Kein Problem, es hätte einen Bus gegeben. Vielleicht hätte ich das machen sollen.

Noch war ich nicht am Ende der Radstrecke angelangt. Ab und zu überholte mich ein Touristenbus. Sie karren tatsächlich im Halbstundentakt die Kreuzfahrer hierher, die in den offenen Bussen sitzen und am Ende gar nicht aussteigen, sondern vom Bus aus fotografieren. Eine sehr merkwürdige Art zu reisen. Vielleicht machen sie es, um etwas abzuhaken. Sie waren eben auch mal da.
Auf einem gewaltigen Parkplatz stellte ich mein Rad schließlich ab. Noch hatte ich ein paar Hundert Meter zum Tour Génoise de la Parata zu laufen. Es ist eine schöne Gegend, nicht mehr ganz so bergig, aber trotzdem ungemein felsig. Die schroffen Klippen sehen jedenfalls urig und rau aus. Bei stürmischem Wetter sicher umso düsterer.
Aber heute war es nicht so sonnig. Ich weiß aus Erfahrung, dass sich Stimmungen mit dem Wetter ändern, besonders am Meer. Und natürlich auch in den Bergen. Manchmal heiter und froh, dann auch wieder bedrohlich. Heute war es eher ein Mittelding aus allem.
Der Tour befindet sich, wie es sich gehört, auf einer großen Klippe, die gut begehbar ist. Sie ist für die Touristen hergemacht worden, ein breiter Fußweg führt hierher, problemlos auch für ältere Semester zu belaufen. Man hat dann einen freien Blick auf zwei Inseln vor dem Festland, die Île de Pori, die eher Felsen ist und die Île de Mezu Mare. Zusammen heißen sie Les Iles Sanguinaires. Natürlich stieg ich noch bis zum Tour hinauf. Ein wuchtiger Wehrturm hat hier einmal die Küste bewacht.
Im Grunde hatte ich hiermit mein touristisches Soll für diesen Tag erfüllt. Und ich hatte mich daran gehalten, es etwas ruhiger angehen zu lassen. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war. Wegen der Wärme hatte ich keinen Käse gekauft und somit auch kein Sandwich für den Lunch vorbereitet. Das war nun einmal so. Daher machte ich mich bald darauf auf den Rückweg. Man kann hier noch wandern, es fühlte sich so an wie der Küstenweg GR 34 in der Bretagne. Zumindest sieht es ein wenig so aus. Die schroffen Felsen, das helle Meer an diesem Tag, die Heidelandschaft. Vielleicht ähneln sich Küstenwege allgemein ein wenig. Gewandert bin ich gestern, das wollte ich aus bekannten Gründen nicht noch einmal wiederholen. Zu sehr steckte mir der gestrige Tag mental noch in den Knochen.
Stattdessen fuhr ich fast zurück nach Ajaccio. Dort erstand ich eine kleine Pizza in einer Boulangerie, kaufte eine Fanta Lemon und setzte mich an den Strand. Ich genoss es wirklich. Ich komme so selten dazu, weil die Sonne zu erbarmungslos brennt. Vielleicht hört sich das eigenartig an, aber ich habe vor der Sonne zu viel Achtung, als dass ich mich ihr so ungeniert aussetze wie andere. Trotz der dichten Wolkendecke habe ich übrigens trotzdem einen ganz leichten Sonnenbrand bekommen.

Danach genoss ich noch einen Espresso in einem der Strandcafés. Und freute mich viel zu sehr über diesen gelungenen Tag.
Abends nahm er übrigens noch eine andere Wendung, aber das ist zu persönlich. Es ist keine leichte Zeit. Irgendwann einmal werde ich darüber schreiben. Im Augenblick gehen Dinge kaputt, die ich für geheilt und gesund gehalten hatte. Sie waren es wahrscheinlich nie. Fragile Gebilde brechen eben beim geringsten Druck auseinander. Und ich glaube nicht, dass man sie wieder richtig zusammensetzen kann. So etwas geschieht gerade. Und es erstaunt und verletzt mich, dass es so schnell passieren kann.
Morgen früh werde ich also versuchen, weiterzufahren. Bonifacius. Ganz im Süden.
Ich bin gespannt, wie es sein wird. Und ob es so sein wird, wie die Postkartenmotive versprechen.
Es wird sicherlich ein nachdenklicher Abend werden. Aber das muss es wahrscheinlich auch geben.