Es ist zu heiß.
Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal im Juli auf Reisen war. Ich glaube, es muss an die 25 Jahre her sein, wahrscheinlich noch länger. Oh, nein, es war 1998, fällt mir gerade ein. Als Student war ich öfter um diese Jahreszeit unterwegs.
Dass die Ferien in Deutschland begonnen haben, merkt man besonders am Meer. Auf dem Campingplatz füllten sich die Stellplätze. Und das an einem Ort, wo eigentlich gar nichts weiter ist als das Meer. Wahrscheinlich reicht das den Meisten. Im Grunde aber kann man von hier bequem die ganze Ostküste abfahren und sicher auch Teile des Landesinneren.
Ich habe nicht gefragt, wie die Leute Urlaub machen. Sollen sie tun, was ihnen gefällt.
Meine Nacht war jedenfalls um fünf beendet. Mein Wecker hätte erst eine halbe Stunde später geklingelt, aber den brauchte ich nicht. Ich schlafe unruhig dieser Tage und entschied mich dazu aufzustehen und mich fertig zu machen. Ohne es zu merken, muss ich mir Zeit gelassen haben, denn ich brauchte zwei Stunden. Ich kann nicht genau sagen, wo sie hingelaufen ist. Jedenfalls war ich erst kurz vor sieben bereit zur Abfahrt. Ich hatte reichlich Zeit, das wusste ich.
Pünktlich also fuhr ich ab.

Auf dieser fürchterlichen Nord-Süd-Verbindung herrschte bereits dichter Verkehr. Die LKWs donnerten wie üblich an mir vorbei. Ich bin froh, dass ich diese Straße langsam hinter mir lassen kann. Es war wie die Tage zuvor auch schon eine Tour zum Vergessen. Sie ist wirklich nicht schön. Aber her war ich nun und wollte weiter.
Casamozza lag 26 Kilometer entfernt, ich erreichte den Ort, der außer dem Bahnhof nichts weiter zu bieten zu haben scheint, um weit vor neun. Es saß sogar jemand am Schalter, also löste ich das Ticket nach Corte. Sieben Euro für mich, 15 für das Rad. Die Korsen sind eigenartig. Tatsächlich ist das die Bahnstrecke zwischen Bastia und Ajaccio, auch nach Calvi kommt man von hier. Sehr praktisch. Vielleicht hätte ich das eher machen sollen, als nach Bonifacio zu fahren.
Eine Stunde wartete ich auf den Zug. Drei kamen an, es waren aber die falschen. Niemand wusste Bescheid. Außer der Schalterbeamtin, die mir letztlich aber andeutete, als der richtige Zug sich näherte. Bahnhöfe sind immer kompliziert. Man muss auf der Hut sein, sonst sitzt man irgendwann im falschen Zug.
Und dann ging es los. Das Meer war schon von Casamozza aus nicht mehr zu sehen. Der moderne und viel zu gut gekühlte Zug stieg langsam nach oben. Ohne ihn hätte ich diese Strecke nicht bewältigen können.

Um kurz nach elf kamen wir an. Die Bergwelt beeindruckte mich schon jetzt. Karge Spitzen türmten sich vor mir auf, hohe Gipfel, die man im Frühjahr und Spätsommer sicher erreichen kann. Ich glaube aber, dass ich mir das abschminken kann. Schon um elf war es fürchterlich heiß. Und es ist noch einer der kühleren Tage hier, es soll am Wochenende schlimmer werden.
Ich packte jedenfalls meine Sachen auf das Rad und fuhr keine fünf Minuten zum Campingplatz. Noch vor Mittag war alles installiert. Das Zelt aufgebaut. Die Matte zum Stuhl umfunktioniert.
Und ich hatte keinen Lunch.
Es schien mir etwas langweilig hier. Der Campingplatz liegt direkt an einem Bach, also hielt ich für eine halbe Stunde meine Füße hinein, bis der Hunger zu groß wurde.
Dann radelte ich los. Eigentlich war das nicht nötig, denn der Campingplatz liegt direkt vor dem Dorf Corte, das sich dramatisch auftürmt. Die Berge dahinter rahmen es förmlich ein, es ist ein bezaubernder Anblick. Die leuchtenden Häuser heben sich vom Grün der Hänge ab, trotz der Tatsache, dass es ziemlich diesig war. Wie muss es hier erst an einem sonnigen Wintertag aussehen, wenn die Luft klar ist. Das Rad schob ich übrigens ab der ebenso markigen Brücke, die keine 100 Meter vom Campingplatz entfernt ist und den Bach überspannt.
Corte gefiel mir auf Anhieb. Wie auch gestern Cervione. Diese Dörfer sind dermaßen malerisch, dass sie fast schon kitschig erscheinen. Das sind sie aber nicht. Sie sind nicht herausgeputzt, die Fassaden sind alt und könnten renoviert werden, die Straßen weisen Löcher auf. Mir aber machte das nichts, es passte ins Gesamtbild. Das Rad stellte ich irgendwann ab, es brachte sowieso nichts, denn Corte ist hügelig. Und nicht besonders groß. Schnell stieß ich auf einen der Hautplätze des Ortes, den Place Paoli, der gerade von Schülern eingenommen wurde. Ich kaufte ein Sandwich und eine Flasche Wasser. Und zerfloss beinahe. Ich weiß nicht, wie warm es war, aber die Hitze fühlt sich vollkommen anders an als am Meer. Trocken und staubig. Der Weg zum Kastell führt über eine Treppe nach oben, wie sollte es anders sein? Vorbei an unzähligen Restaurants und kleinen Läden. Einige Touristen hatten sich hierher verirrt. Die Gegend ist aber auch zu spannend. Sicher Wanderer? Ich kann es mir vorstellen.

Ich stieg bis zum Kastell nach oben. Hier befindet sich ein Museum, das ich morgen besuchen möchte. Ich hätte es auch heute schon „abhaken“ können, aber das wollte ich nicht. Ich habe hier drei Tage. Und ich glaube nicht, dass ich viel wandern werde. Also warum soll ich mir nicht die Sehenswürdigkeiten einteilen?
Ich erkundete Corte noch ein wenig, dann hatte ich einen Energieabfall. Wahrscheinlich lag es am viel zu großen Sandwich. Auch ein Kaffee in einer der vielen Bars half nicht. Ich hätte auf der Stelle einschlafen können.
Also ging ich zurück zum Campingplatz. Aber vorher fuhr ich zum Supermarkt, wo mir die Klimaanlage fast den Garaus machte. Erst die Hitze, dann die künstliche Kühle. Dazu meine ziemlich schlaflose Nacht. Was sollte daraus werden?
Auf dem Campingplatz ruhte ich mich ein wenig aus. Immerhin hatte ich ja auch schon 25 Kilometer auf dem Rad in den Beinen. Also Piano. Gemach. Tranquillo.
Ich stelle also fest, dass ich die Hitze nicht mehr so gut vertrage wie in meinen 20ern. Das ist nicht wirklich verwunderlich. Wandern werde ich wahrscheinlich wenig, man muss es ja nicht herausfordern. Trotzdem bin ich unglaublich froh, hergekommen zu sein. Hier ist das Korsika sicher noch authentischer als am Meer. Glaube ich zumindest.
Auf das Museum morgen freue ich mich. Diese Tage werde ich versuchen zu genießen.