Um halb sechs war die Nacht zu Ende.
Nicht, weil ich schon hätte aufstehen müssen, aber manchmal wache ich einfach recht früh auf. Es war stockdunkel. Ein wenig wehmütig dachte ich an die Zeit im Juni zurück, als das Tageslicht üppig seinen Segen verteilte. Es schien gar nicht mehr richtig dunkel zu werden. Nun befinden wir uns auf dem absteigenden Ast. Die Tage werden merklich kürzer, auch abends geht die Sonne schon viel früher unter. Wenn man die ganze Zeit draußen lebt, fällt es einem noch viel mehr auf. Der Rhythmus des Lebens ist ein anderer, je nach Jahreszeit.
Ich empfand beim Packen keine Eile, war aber um sieben bereit zum Abfahren. Es gab keinen Grund, hier länger zu bleiben. Mittlerweile war es hell geworden, um halb sieben, es geht also noch.
Ich brauchte keine Viertelstunde zum Busbahnhof. Die verschlafene und nicht gerade gutgelaunte Angestellte verkaufte mir das Ticket nach Isthmus. Dann vertrödelte ich eine Stunde bis zur Abfahrt. Die Zeit verging wie im Flug. Es war angenehmer als vor zwei Tagen in Methoni. Wenigstens hatte ich WiFi.

Zwei Stunden brauchten wir bis Isthmus. In einem auf nahe Frosttemperaturen heruntergekühlten Bus. Draußen schlug mir dann beim Aussteigen die Hitzewelle entgegen. Der Busbahnhof in Istmus scheint im Nirgendwo zu liegen.
Beim Bepacken meines Rades sprang mich praktisch ein Deutscher an. „Germanski“. Das habe ich auch noch nicht gehört. Ich bin es gewohnt, dass das Rad Aufmerksamkeit weckt. Aber so etwas habe ich noch nicht erlebt.
Es folgten Wortschwalle, ich solle hierhin fahren, dort campen, da aber nicht, und nur in der Taverne essen, dann kann ich dort umsonst stehen. Alles Blödsinn. Ich schaffte es irgendwie, zwar die Nummer des Germanskis aufzuschreiben, aber so, dass ich ihn nicht antelefonieren konnte. Das fehlte mir noch. Ein Landsmann, der mich einnimmt. Das ist doch unschön.

Natürlich radelte ich danach zum Campingplatz. Was soll das alles? Sind zehn oder zwölf Euro die Nacht zu teuer? Die Leute wollen hier auch leben. Und die Saison ist sowieso schon schlecht genug.
Im Grunde radelte ich nach dem Aufbauen des Zeltes wieder zurück zum Busbahnhof. Den Kanal von Korinth liegt nur zweihundert Meter entfernt, mir war das irgendwie nicht bewusst gewesen. Aber ich hätte es sowieso machen müssen, um einzukaufen. Die Supermärkte hier haben auch sonntags geöffnet. Schön.
Der Kanal, den ich vor zwölf Jahren das erste Mal gesehen habe, ist tatsächlich beeindruckend. In den Fels geschlagen, Dutzende Meter tief. Das Wasser schimmert azurblau. Anders als vor zwölf Jahren sah ich aber nur Privatjachten und kleine Segelschiffe, die hindurchfuhren. Wenn gewaltige Lastkähne passieren, ist es besonders interessant, weil die wirklich die ganze Breite des Kanals einnehmen. Wenn man auf der Brücke steht, kann man das Ende im Golf von Korinth und auf der anderen Seite den Saronischen Golf sehen. Schon beeindruckend, wie viel Zeit die Schiffe dadurch sparen. Ein Meisterwerk der Ingenieurskunst.
Natürlich wird der Kanal auch anders genutzt. Zum Bunjeespringen. Ein Mensch traute sich das gerade, als ich ankam. Ich verstehe es zwar nicht, muss das aber auch nicht. Ein bisschen Todeserfahrung. Manche brauchen das. Jedenfalls überlegte ich, ob ich danach noch nach Loutraki fahren sollte. Ich entschied mich dagegen. Es war auf der einen Seite zu heiß, auf der anderen zu windig. Schon die Fahrt hierher hatte mich Kraft gekostet. Nichts mehr gewohnt.
Morgen sehe ich mir das antike Korinth an. Dann habe ich eigentlich alle wichtigen antiken Stätten in dieser Gegend besichtigt. Soweit ich das zumindest überblicken kann.

Auf der Rückfahrt kam ich noch an sog. Zyklopenmauern vorbei. Zumindest sah es so aus. Leider gab es kein Info-Schild. Was haben diese Mauern befestigt? Ich weiß es nicht. Auch Google Maps kannte diese Ausgrabungen nicht, die restauriert sind, aber nicht erklärt. Die EU hat es jedenfalls bezahlt. Finde ich gut.
Mal sehen, wie es morgen in Korinth wird. Ich rechne mit einer anstrengenden Besichtigung, weil es natürlich ganz oben auf einem Berg liegt. Zeit, mal wieder meine Wanderschuhe zu benutzen, die seit viel zu langer Zeit im Zelt herumliegen. Ich weiß nicht einmal, wann ich sie das letzte Mal wirklich gebraucht habe. Ich ziehe sie meistens zum Radfahren an, wenn ich längere Strecken radeln muss. Aber zum Wandern? Keine Ahnung.
Ist auch egal, ich brauche sie zumindest. So etwas kann man nicht entsorgen. Das wäre auch etwas teuer.