Ich stand einfach mal wieder zu spät auf.
Halb sieben ist bei diesen Temperaturen wirklich zu spät. Halb sechs oder sogar fünf wären wesentlich besser gewesen. So aber schaffte ich es nicht, vor halb neun loszufahren. Man kann es sich nicht vorstellen, aber um diese Zeit herrscht hier schon fast Höchsttemperatur, wenigstens aber Temperaturen weit jenseits der 30-Grad-Marke. Ich hatte zwar nur 25 Kilometer vor mir, aber es waren 25 Kilometer auf hügeliger Strecke. Ich musste manchmal schieben. Das ist mit ca. 25 Kilo Gepäck und Faltrad kein Zuckerschlecken, zumindest nicht für mich. Noch immer schaffe ich es nicht, auf Steigungen zu radeln. Werde das wahrscheinlich auch niemals schaffen. So ist es nun einmal.
Es ist auch nicht die schönste Strecke zum Radfahren. Aber wenigstens war das Meer fast die ganze Zeit an meiner Seite. Ich fuhr durch mehrere Ortschaften, im Grunde alles Dörfer. Städte gibt es nicht mehr, auch Koroni, mein Ziel, kann man nicht so bezeichnen. Es wirkt trotzdem extrem griechisch. Oder auch deswegen. Überall stehen Olivenhaine, Wein wird angebaut oder wächst einfach an Feigenbäumen empor, die hier ebenfalls zur Genüge stehen. Ich liebe es, sie schon zu riechen, bevor ich sie sehe. Sie beginnen langsam zu reifen, die Feigen. Aber auch ohne Früchte riecht ein Feigenbaum intensiv süßlich. In der Hitze wahrscheinlich noch mehr. Ich kam an einem vorbei, der vor einem verwilderten Grundstück stand. Einige Früchte waren reif, also erntete ich ungefähr zehn. Ich hätte auch 100 mitnehmen können, aber wer soll das essen? Ich probierte eine, unfassbar süß, vielleicht eine leichte Säure, aber kaum merklich. Wenn ich mir die Fülle an Früchten ansehe, wird Griechenland in zwei Wochen wahrscheinlich in Feigen untergehen.
Vor Charokopio begann die Steigung. 150 Meter ging es nach oben. Die Strecke war vorher schon hügelig gewesen, mal hinauf, mal hinab. Nun aber schob ich. Es half ja nichts. Vollkommen nassgeschwitzt kam ich oben an, in dieser netten Kleinstadt. Männer saßen in Cafés, das Leben scheint hier nicht schnell zu gehen. Muss es ja auch nicht.
Und ab diesem Zeitpunkt konnte ich das Rad laufen lassen. Beinahe bis zum Campingplatz Koroni.
Er war so, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Koroni ist ein kleiner Geheimtipp, der inzwischen nicht mehr ganz so geheim ist. So wie dieser Campingplatz. Er ist voller als der in Petalidi, wo ich heute Morgen abgefahren bin. Aber nicht so voll, wie man es in der Hauptsaison erwarten könnte.
Als ich eingecheckt und alles aufgebaut hatte, merkte ich, wie sehr ich dehydriert war. Zwei Stunden Radfahren in der Sonne kostet Flüssigkeit. Und ich vergesse jedes Mal, das auszugleichen.
Lange blieb ich nicht auf dem Platz. Warum auch? Ich lief hinunter zum Strand. Koroni ist nur 200 Meter entfernt, über den Strand zu erreichen. Vor zwölf Jahren war ich hier gewesen. Zeit, einmal die alten Bilder herauszukramen. Jedenfalls hatte ich damals den Eindruck, es mit einem ziemlich authentischen Dorf zu tun zu haben. Jetzt wirkte Koroni eher wie ein Ressort. Kein luxuriöses, aber herausgeputzt und chic. Besonders die Hafenpromenade habe ich als einfacher in Erinnerung. Aber zwölf Jahre sind auch eine lange Zeit. Cafés, Restaurants, Bars, Shops – alles ist jetzt da. Vielleicht war es das damals auch schon, meine Erinnerung ist trübe. Damals war ich drei Tage da, musste mich von einer Salmonellenvergiftung erholen, die mich gut zwei Wochen beschäftigt hatte. Und der Gewichtsverlust, den ich monatelang nicht habe ausgleichen können. Aber ich weiß, dass ich Koroni gemocht hatte und immer mal wieder herkommen wollte. Deshalb bin ich nach Patras gefahren, um diese Gegend von Kalamata bis Koroni zu erkunden. Das ist der echte Grund.

Ich tat heute nicht besonders viel. Ich will wieder drei Tage bleiben, habe also Zeit. Von meinem letzten Besuch weiß ich, dass es byzantinische Kirchen und Malereien gibt. Das mache ich in aller Ruhe morgen. Erst einmal aber kam ich an, setzte mich in ein Café am Hafen, trank einen griechischen Kaffee. Ich habe mich gut eingelebt, finde ich. Die Stunden fuhren an mir vorbei, ich verspürte keine Eile. Die griechische Gelassenheit hat mich am Wickel.
Und das war im Grunde schon die Beschreibung des Tages. Ich ging noch einkaufen, ruhte mich danach auf dem Platz aus. Warum auch nicht? Es ist alles in Ordnung so. Es ist Sommer, es ist heiß, und die grelle Sonne vertreibt die meisten Schatten in meinem Leben. So kenne ich es. Griechenland ist der große Heiler. Immer schon gewesen. Wenn es schwer wird, fahre ich nach Griechenland. Es war schwer, jetzt scheint es nicht mehr so.
Ach ja, ich habe einen Immobilienhändler gefunden. Die Grundstücke hier sind teurer als in Kalamata. Ich glaube, dieser Teil der Küste wird kommerziell entdeckt oder ist es schon. Koroni sieht jedenfalls so aus. Entwickelt, renoviert.
Ich habe mich übrigens dazu entschlossen, die Westküste heraufzufahren. Und dann mal sehen. Mir ist es im Moment gar nicht mehr so wichtig, alles zu machen. Das geht sowieso nicht. Also mache ich ein bisschen. Und das ist auch ganz gut.
Heute komme ich aber erst einmal hier an.
Und morgen sehen wir weiter.