Um halb sechs war die Nacht zu Ende.
Eigentlich schon gegen fünf, aber ich schaffte es nicht, sofort aufzustehen. Dabei wollte ich besonders früh los, aber das gelang mir auch so noch.
Ich hatte 40 Kilometer vor mir, also nicht unbedingt viel, aber ich wusste nicht, was mich erwarten würde. Steigungen, Hitze, Verkehr. Ich ließ alles auf mich zukommen.
Kurz vor der Abfahrt gönnte ich mir eine Viertelstunde Yoga, weil ich die Erfahrungen gemacht habe, dass ich bei Radtouren besser fahre, wenn mein Körper aufgewärmt und gedehnt ist. Tatsächlich hatten meine obligatorischen morgendlichen Rückenschmerzen soweit fast gänzlich nachgelassen.
Ich trödelte nicht, doch meine ausgedehnte Morgenroutine ließ die Zeit verschwinden. Aber noch vor halb acht schwang ich mich auf das Rad. Nicht so früh, wie ich gehofft hatte, aber noch früh genug.
OsmanD wollte mir wieder Bergtouren auferlegen. Ich denke, dass ich das arme Navi falsch eingestellt habe. Ich wusste, dass ich auf der T10 bleiben musste, also der Hauptstraße. Es war egal. Es gibt hier sowieso keine Radwege, sodass die Hauptstraße auch die beste Radstrecke ist. Und die schlechteste, weil auch die LKWs und SUVs hier fahren müssen. Viel Spaß machte es tatsächlich nicht. Neben mir türmte sich das Bergmassiv auf. Alpin scheinen die Berge und für eine Insel sind das beeindruckende Landschaften. Für mich natürlich undenkbar zu erkunden, es sei denn, ich finde eine Möglichkeit, das Rad irgendwie mitzunehmen. Es sieht im Moment nicht so aus. Auch sind die Busverbindungen nicht gerade üppig. Außerdem weiß ich nicht, ob ich auch hier noch Busverbot habe.
Egal, heute war Radtour.
Und ich kam recht gut voran. Immer wieder hinderten mich Steigungen, die ich zu Beginn relativ problemlos schaffte. Später wurde es schwieriger, ich denke, dass ich dann müde war und meine Muskulatur verhärtet.
Irgendwann tauchte jedenfalls das Meer auf, das mich dann fast immer begleitete. Buchten reihen sich aneinander, der Tourismus ist nicht so ausgeprägt, wie es mir schien. Ruhige Ressorts, fast leere Strände, gastlose Restaurants. Gut, es war auch noch früh am Morgen.
Dann erreichte ich eine Serpentine, die ich nicht mehr bewältigen konnte. Es war auch die gefährlichste, weil der Weg, den ich praktisch zu Fuß ging, so schmal war. Vorher war ich am Torra di Fautea vorbeigekommen. Ich glaube, es waren die ersten Fotos auf dieser Fahrt. Es sollten noch ein paar von Stränden und Buchten folgen.
Die Steigungen wurden ab jetzt generell schwieriger. Ich ermüdete langsam, hatte aber das Ziel schon vor Augen. Keine zehn Kilometer entfernt. Trotzdem wirkte dieser Abschnitt auf mich am anstrengendsten, auch wenn es wahrscheinlich nicht so war. Ich werde kräftiger, kann längere Strecken radeln, weiß aber jetzt, dass ich nach 30 bis 40 Kilometern eigentlich eine Pause bräuchte. Gut zu wissen.
Exakt drei Stunden nach meiner Abfahrt kam ich in Solenzara an. Ein Küstenort ohne große Anziehung, aber ich hatte es mir trotzdem als Ziel auserkoren. Ich brauche mal etwas Ruhe, Zeit zum Nachdenken. Der Campingplatz ist direkt am Strand, mein Zelt steht keine 200 Meter vom Meer entfernt. Hier ist im Grunde nichts. Außer Sonne und Meer.
Vorhin bin ich kurz in den Ort geradelt, nur um einzukaufen. Es lohnt sich eigentlich wirklich nicht, herzukommen. Aber ich bin trotzdem da und werde auch morgen noch bleiben. Vielleicht kann ich ein bisschen wandern gehen.
Den heutigen Tag habe ich dann damit zugebracht, mich auszuruhen und mich mit verloren gegangenen Kalorien auszustatten. Jetzt habe ich Magenschmerzen. Nur Mist, Chips, Schokolade, Sprite. Die Magenschmerzen kommen aber sicher vom Apfel.
Weiter gibt es nichts zu berichten. Gestern dachte ich, ich hätte eine gute Route für die Weiterfahrt. Heute zweifle ich daran. Ich denke sogar darüber nach, wieder nach Frankreich zurückzukehren. Ich vermisse es. Denn Korsika ist nicht Frankreich, so viel steht fest.
Mal sehen. Ich bin ja frei in meinen Entscheidungen. Gebucht ist nichts, nichts steht fest. Eine Woche bin ich jetzt hier. Ich wünschte, ich könnte es noch mehr auskosten. Ich komme nicht zur Ruhe. Und das ermüdet.