Viel bewegt und doch nicht viel gemacht. Außer Warten natürlich.
Nach einer anstrengenden, heißen und stickigen Nacht entschied ich mich dafür, um halb sechs aufzustehen. Warum auch nicht? Der Mond stand noch am Himmel, obwohl es bereits hell war. Schon der Morgen war warm und aufdringlich. Ich schwitzte lange, bevor ich eigentlich abgefahren war. Und das war um sieben.
Auf den Straßen war nicht viel los um diese Zeit, kein Wunder, es war Samstag. Manche Menschen schlafen länger als ich. Aber das ist sicher normal. Schon extrem, wie das bei mir im Sommer ist. Im Winter schaffe ich es meist nicht vor acht aus dem Bett. Ich lebe nach der Sonne. Ist auch etwas Schönes.
Am Bahnhof kaufte ich mir ein Ticket nach Triest. Die Verbindungen hatte ich schon zwei Tage zuvor herausgesucht. Trotzdem entschied ich mich, einen früheren Zug nach Ferrara zu nehmen, die anderen Verbindungen musste ich so einhalten, wie ich sie gekauft hatte. Wahrscheinlich andere Zuggesellschaften. Und so kam es, dass ich in Ferrara anderthalb Stunden warten musste. Ich erinnere mich gut an die Stadt, die ich vor 12 Jahren besucht habe. Damals war Italien ein kurzes Intermezzo auf meiner Weiterreise auf den Balkan gewesen. Im Grunde wie jetzt auch. Damals war ich zwei Wochen hier. Genauso lange wie jetzt. Aber die Reise damals war wesentlich länger, sodass das Verhältnis einigermaßen stimmt. Außerdem kehrte ich im Winter zurück, verbrachte diese Zeit auf Sizilien. Aber das kann man anderweitig nachlesen.
Der Campingplatz in Ferrara existiert nicht mehr, sodass das wohl der einzige Besuch damals bleiben wird.
Kurz vor elf ging mein Zug nach Venedig. Und er war wirklich voll. Ist kein Wunder. Venedig sollte man vermeiden. Zu jeder Jahreszeit. Vielleicht ginge Januar. Aber durch die Kreuzfahrtschiffe ist das sicher auch bereits besetzte Zeit.
Ich werde nächste Woche eine Nacht dableiben müssen. Unangenehm genug. Aber es ist nur diese eine Nacht, die nächste bin ich dann auf der Fähre.

Das einzige Foto an diesem Tag: Triest von Opicina aus.

Um eins fuhr der Zug von Mestre nach Triest ab. Der war zumindest nicht ganz so voll. Aber voller, als ich es erwartet hatte. Zwei Stunden war ich unterwegs. Ereignislose Zeit. Ich hatte etwas Sorge vor meiner Anfahrt auf den Campingplatz in Opicina. Fünf Kilometer, 350 Höhenmeter. Als wir angekommen waren, begann ich also, das Rad den Berg hochzuschieben. Und dann machte ich mir doch mal die Mühe und schaute auf ein Busschild. Tatsächlich würde die Nummer zwei gleich kommen. Ich dachte mir, dass ich es probieren wollte. Der Bus kam, ich packte mein zusammengefaltetes Rad einfach in den Bus. Ein Ticket konnte ich nicht lösen, das macht man wahrscheinlich in einer Bar oder einem Kiosk. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, denn ich fuhr schwarz, konnte mich aber nicht dazu bringen auszusteigen. Es war einfach zu leicht, im Bus zu bleiben und auf das vermaledeite Schieben zu verzichten. Und so kam es, dass ich drei Minuten später eine Haltestelle zu spät aus dem Bus ausstieg. An der richtigen Haltestelle hatte der Fahrer die Tür hinten nicht aufgemacht. Eine Station weiter halfen mir ein paar Jungs, dem Fahrer meine Bitte mitzuteilen.

Ich konnte mein Glück nicht fassen. So einfach war es, diesen Berg hinaufzukommen. Ich werde nicht in die Stadt radeln, sondern den Bus nehmen. Ist zu einfach. Und zu billig. Den letzten Rest des Weges musste ich doch nochmal schieben. Es war so anstrengend. Ich glaube nicht, dass ich es hier herauf geschafft hätte, nicht die ganzen fünf Kilometer. Die Hitze war brennend, meine Lungen fühlten sich an wie Feuer.
Und dann war ich da. Ich wurde willkommen geheißen, mir wurde gesagt, wo ich das Zelt aufstellen konnte. Und das war der Tag im Wesentlichen. Ich bin nicht nochmal nach Triest gefahren, war nur noch einkaufen, habe tatsächlich an einem Automaten Bustickets bekommen. 1,35 kostet eines, ein Witz also. Mehr als vier brauche ich ja nicht. Morgen zwei, übermorgen auch. Und am Dienstag kann ich die Strecke problemlos den Berg herunterfahren.
Und da bin ich nun. Viel erlebt habe ich nicht. Und doch stimmt das nicht. Ich bin gereist, von einer Ecke in die andere. Und zwar in die entlegenste. Dabei konnte ich ein Buch über Triest fast bis zu Ende lesen. Ich weiß jetzt, was der Bora (Wind) ist, der Ursus (Kran), dass Rielke hier war oder zumindest in der Nähe. Und dass jemand aus Triest die Schiffsschraube erfunden hat, ohne dafür jemals zu Lebzeiten belohnt worden zu sein. Grauenhaft.
Und damit hat meine vorerst letzte Etappe in Italien begonnen. Jetzt schon. Es kommt mir eigenartig vor, denn irgendwie bin ich doch gerade erst angekommen.
Ich muss Italien irgendwann einmal wieder mal mehr Zeit gönnen. Und mir auch. Aber jetzt steht es eben fest.
Griechenland muss mich heilen.
Zumindest hoffe ich es.