Dafür, dass ich ein paar Gänge heruntergeschaltet habe, habe ich an diesem Tag einiges unternommen. Angefangen mit der Säuberung meiner Isomatte. Das war dringend nötig. Bei diesen Temperaturen muss man das ab und zu machen. Nur, weil ich auf Reisen bin, heißt das nicht, dass ich auf Dinge des Alltags verzichten kann. Es gehört dazu, ab und zu die Sachen zu waschen und zu pflegen. Die Reifen des Rades muss ich demnächst mal aufpumpen, das habe ich seit fast zwei Monaten nicht mehr gemacht. Morgen ist ein guter Tag dafür.
Heute kam ich erst gegen zehn dazu loszufahren. Besondere Eile verspürte ich nicht. Die Stadt ist nah, die Temperaturen bereits auf dem Siedepunkt. Aber das wird sich bestimmt nicht mehr ändern.
Ich radelte einfach zum nördlichen Teil Kalamatas, zum Kastell, wo sich die Altstadt befinden sollte. Das Kastell hatte ich bald erreicht, ich kette das Rad beim Militärmuseum an. Das Museum war mir zu martialisch, die Haubitzen oder Kanonen modernerer Bauart oder war immer das war, stießen mich ab. Ich weiß, das ist scheinheilig, wird doch Europa gerade damit in der Ukraine verteidigt. Aber das ist weit weg und für einen Menschen wie mich sowieso nicht erfassbar. Das ist übrigens das Dilemma im Moment. Niemand kann sich das Grauen vorstellen, das schon seit Jahrzehnten auf der Welt stattfindet. Jetzt ist es die Ukraine, vorher war es Syrien und der Jemen. Und sind es natürlich noch. Es ist kompliziert. Und es gibt sie, die Arschlochregime. Syrien, Saudi-Arabien, Russland und auch die Türkei.
Aber an diesem Tag wollte ich nicht so sehr über den Krieg nachdenken, wobei das natürlich ebenfalls nicht stimmt. Jeder Morgen beginnt für mich mit den Nachrichten. Und er endet meist auch damit.

Das Kastell kostete dieses Mal Eintritt. Drei Euro, die ich verschmerzen konnte. Viel zu sehen gab es nicht. Es handelt sich um ein einstiges fränkisches Bauwerk. Aber hier muss schon vorher etwas gestanden haben, es war nicht besonders ersichtlich. Wie so oft waren danach auch andere hier, allen voran die Osmanen. Sehr viel weiter sind sie allerdings nicht gekommen, der Mittelfinger des Peloponnes, die Mani, lag wohl zu weit entfernt von allem. Manchmal ist es den Aufwand nicht wert.
Durch das Bollwerk eines Tores ging es etwas weiter nach oben. Immerhin hatte ich eine nette Aussicht auf die Stadt. In der Ferne war es etwas dunstig. Es wird doch wohl nicht irgendwann regnen? Ich denke nicht. Es war bereits unfassbar heiß. Weit über 30 Grad. Im Kastell gibt es auch ein Theater nach römischem Vorbild, zumindest der Form nach. Es ist allerdings komplett aus Beton. Ein guter Standort, mit der Stadt und auch dem Meer in der Ferne im Hintergrund. Oben befindet sich eine kleine Kirche, die abgeschlossen war. Alles in allem lässt sich dieser Ort bequem in einer Viertelstunde erkunden. Ich denke nicht, dass Kalmata jemals eine entscheidende Rolle irgendwo gespielt hat. In der Antike haben sicher die Spartaner dafür gesorgt, dass es sich nicht entwickelt hat. Und später war es einfach zu weit weg von allem.
Unterhalb des Kastells ist das, was man als Altstadt bezeichnet. Sie ist klein und besteht aus einer Reihe von kleinen Straßen und Gassen. Die Griechen haben hier eine Fußgängerzone etabliert. Ich sah mir die eine oder andere Kirche an, die älteste stammt aus dem 12. Jahrhundert. Zumindest in Teilen. Bei einem Erdbeben im Jahr 1986 ist sie eingestürzt. So wie weite Teile der Stadt auch.

Ich wanderte also durch die Gassen, sah mir die Cafés und Geschäfte an. Viele Touristen sah ich nicht, auch wenn die Geschäfte offensichtlich darauf eingestellt sind. Sehr überlaufen ist die Stadt also nicht, auch wenn der Strand natürlich schon sehr kommerzialisiert ist. Zumindest war das gestern am Sonntag so,
Ich habe nicht den Eindruck, dass viele Leute aus anderen Ländern herkommen. Die meisten Touristen werden Griechen sein.
Ich lief weiter bis zu einem überdachten Markt. Er stand zu zwei Dritteln leer. Ein riesiges Gelände. Vielleicht gibt es hier einen Markttag, an dem sich die Bereiche füllen. Danach schlug ich mich wieder in die Altstadt hinein, was nicht besonders aufregend war. Es fehlt ein wenig an Charisma, trotzdem war es nett. Auf einem der Plätze setzte ich mich eines der vielen Cafés und bestellte endlich einen griechischen Kaffee. Er war herrlich. Nicht zu stark, nicht zu süß, genau richtig. Dazu bekam ich einen Liter Wasser mit Eiswürfeln. Die Griechen wissen, was Leute brauchen. Ich hatte keine Lust, mich zu bewegen. Eine Stunde saß ich hier, las Nachtrichten, pokerte auf der App, ließ es mir einfach gutgehen. Viele Griechen machen das so, Jung und Alt. Alles läuft ein paar Schritte langsamer.

Kalamata hat aber auch einen moderneren Teil. Und der geht praktisch in den Alten über oder umgekehrt. Ich lief weiter in Richtung Meer. Dieses Zentrum befindet sich um den Platz Plateia herum. Viele moderne Geschäfte sind hier angesiedelt, ebenfalls Cafés. Es sieht aus wie eine normale Stadt. Nur, dass das Meer irgendwie immer gegenwärtig ist.
Ich weiß auch nicht wie, aber irgendwann war es 15 Uhr. Nicht spät, aber ich habe keine Ahnung, wie die Zeit vergangen war. Ich schaute noch bei der Post vorbei, morgen schicke ich meine Regenjacke nach Berlin. Und werfe meine Trekkingsandalen weg. Ballast entfernen. Ich brauche das auf dieser Reise nicht mehr. Die Jacke ist noch gut, die Sandalen nicht mehr. Es lohnt sich nicht, sie weiter mitzunehmen, ich komme auch mit Schlappen zurecht. Sogar auf dem Rad. Das Gepäck ist so schon schwer genug. Sollte ich das nochmal machen, werde ich weiter abspecken. Die Yogamatte gegen ein Yogahandtuch ersetzen. Das Zelt geht auch eine Nummer kleiner. Und das Kochgeschirr ebenfalls. Ich weiß schon, wie ich es machen werde.
Aber das ist Zukunftsmusik.
Morgen bin ich ebenfalls noch hier. Ich habe keine Lust zu hetzen. Nochmal in die Stadt. Und entspannen. Das erste Mal auf dieser Reise verspüre ich nicht den Drang, sofort weiterzuziehen, auch wenn ich im Grunde hier fertig bin.
Das hat natürlich Gründe. Kalamata ist eine der Städte, die Ehefrau Nina und ich dazu auserkoren haben, in ein paar Jahren als Ruhestandsmöglichkeit zu nutzen. Deshalb will ich mich ein wenig ausführlicher hier umsehen. Nicht nur touristisch.
Schon interessant. Man sieht so vieles mit anderen Augen.