Was für ein fauler Tag.
Wenigstens stand ich früh auf, nicht, dass es einen Unterschied machte. Es war Sonntag, fast yogafrei, nur ein kurzes Stretching, um die morgendlichen Verspannungen loszuwerden. Wenigstens ist der Rücken einigermaßen schmerzfrei, war ja nicht immer so auf dieser Reise. Ich nehme ihn mir gerade vor. Erstaunlich, wie einfach man ein paar Übungen in den Alltag integrieren kann. Hätte ich mal vor 30 Jahren damit angefangen, dann müsste ich jetzt nichts nachholen.
Egal.

Ich ließ mir Zeit. Richtig Zeit. Und erinnerte mich an den Sonntag vor vier Wochen in Corte auf Korsika. An diesem Tag hatte ich den Campingplatz praktisch nicht verlassen. Da war ich an diesem Tag schon besser, denn immerhin lief ich gegen zehn Uhr los. In Koroni war Markttag, der im Grunde nur aus Gemüseständen bestand. Aber wie prächtig das aussah. Die Pfirsiche waren faustgroß, die Tomaten oft noch größer. Die Melonen? Keine Ahnung, jedenfalls kiloschwer. Viel zu viel für mich. Ich brauche immer nur ein oder zwei Früchte, mal zwei Tomaten, eine kleine Gurke. Es lohnt sich jedenfalls selten, viel Obst zu kaufen. Allerdings ernähre ich mich ziemlich oft nur von Salat und Feta. Heute Abend auch, mit etwas Faux Tzatziki ohne Knoblauch, aber selbst gemacht. Dill habe ich auch nicht. Pech gehabt. Morgen wieder. Vielleicht.
Jedenfalls suchte ich nach dem Markt, der sich am Eingang des Dorfes befand, sofort den Weg nach oben. Im Grunde führt jeder Weg dorthin, zumindest wenn man nicht die Hauptstraße entlang läuft. Ich wollte zum Strand auf der anderen Seite der Bucht. Keine Ahnung warum. Strände interessieren mich eigentlich nicht. Aber ich kannte es nicht. Und ich hatte Zeit.
Der Ort wird weiter oben, fern von den Touristenshops, ursprünglicher. Und auch ein bisschen ranziger. Es gibt eingestürzte Häuser, manche stehen zum Verkauf. Ich sah Palmen und überwuchernde Ruinen, viele davon vermüllt. Es war ein bisschen schade. Wenn man hinter die Fassaden guckt, braucht man sich nicht zu wundern. Aber ich wollte es auch wissen.

Ich erreichte den Sattelpunkt des Hügels, auf dem sich Koroni befindet. Bei einem Minimarkt. Hier ist immer irgendetwas offen. Verhungern muss niemand, auch sonntags nicht.
Zum Strand waren es nur ein paar Stufen, weit ist es nicht.

Und dann war ich da.
Ich weiß nicht, wie weit der Strand Paralia Koronis sich erstreckt, vielleicht anderthalb oder zwei Kilometer. Weiter Sand- und Kieselstrand. Für Meeresanbeter sicher eine wahre Wonne. Die Sonne brannte auch schon wie am Tag zuvor, nur lag ein fauliger Geruch in der Luft. Ich weiß nicht, wo der herkam, ich dachte erst, dass er nur am Strand herrschte, aber ich roch ihn den ganzen Tag lang, egal, wo ich mich aufhielt. Es war ein Geruch, der Ekel in mir hervorrief. Keine Ahnung, wo er letztlich herkam.
Am Strand blieb ich ungefähr eine Stunde, mit dem neuen Audiobuch von Martin Walker und dem neuen Bruno. Ich musste an das Perigord denken. Ist es dort kühler? Nicht unbedingt. Ich muss es mal nachsehen. Jedenfalls brennen bei Bordeaux Wälder. Das ist nicht weit. Die Waldbrände gibt es aber auch in Brandenburg, und zwar überall. Mal sehen, ob die Datsche noch existiert, wenn ich zurückkomme.
Wie gesagt, am Strand halte ich es nie lange aus. Irgendwann lunchte ich den Käsekringel aus Blätterteig, frisch gemacht vom Bäcker. Hervorragend. Und füllend.
Und danach?
Café.
Zwei Stunden über einem Espresso Freddo. Es war ein wirklich fauler Tag. Auch einer, an dem ich verstand, dass ich mich wieder mehr bewegen muss. Seit Tagen hält das jetzt schon an. Nun, morgen geht es weiter, mit einer mörderischen Etappe über Berge hinüber. 600 Höhenmeter stehen mir bevor. Ich möchte früh aufstehen, um sie möglichst rasch in Angriff zu nehmen. Mal sehen, wie es wird. Es ist nicht sehr weit, nicht einmal 30 Kilometer. Aber die Strecke hat es wirklich in sich.
Ich werde morgen berichten.
Und das war es an diesem Tag auch schon. Der seltsame Geruch liegt noch immer über allem. Ich habe mich nicht daran gewöhnt. Es wird also wirklich Zeit, weiterzufahren.
Auch überlege ich mir, wie es weitergehen wird. Ich denke, dass ich irgendwann in Thessaloniki sein werde. Und dort erst werde ich entscheiden, wie ich die Rückfahrt gestalten werde. Entweder über Igoumenitsa nach Italien, oder über Belgrad und Wien und Prag. In Prag lande ich sicher sowieso irgendwann, ich finde, das ist ein guter Abschluss dieser Reise. Und tatsächlich neigt die sich bereits dem Ende entgegen. Fünf oder sechs Wochen sind es noch. Jeder wird sagen, dass das noch viel Zeit ist. Aber ich habe schon so viele Wochen hinter mir, dass es beinahe winzig aussieht. So ist das mit der Zeit, sie ist relativ zu dem Vergleichswert. Ich will mich aber nicht beklagen und denke, dass es wirklich reichen wird. Ich bin nicht müde. Aber man muss auch loslassen können.
Erst einmal aber werde ich noch die Westküste Griechenlands genießen. Mindestens noch fünf Tage. Und dann werden wir sehen.