Das Wetter spielt mir hier manchmal Streiche.
Vor einer Woche noch brannte die Sonne, jetzt scheint sie zwar ohne Unterbrechung, ohne aber so heiß zu sein. Die Nächte hingegen sind wieder unfassbar kalt, sechs Grad sollen es heute Nacht gewesen sein.
Unerheblich, aber für meine Stimmungen ist so etwas dennoch nicht unwichtig. An diesem Morgen wollte ich einfach nicht aufstehen. Vielleicht war es der Sonntag, der mich träge machte, vielleicht aber auch die Schmerzen in den Beinen und im Rücken. Muskelkater. Warum nicht? Ich war in den letzten Tagen wirklich viel auf den Beinen.
Daher wollte ich es heute etwas ruhiger angehen lassen. Ein Besuch in Limoges stand an. Irgendwie ist die Strecke doch noch sehr weit, 15 Kilometer ungefähr. Gegen zehn Uhr fuhr ich los, trat langsam in die Pedale. Es zog sich letztlich doch ziemlich hin. Ich habe diese Entfernungen unterschätzt. Trotzdem war es recht angenehm zu radeln, am Fluss entlang, auch wenn ich auf der Hauptstraße immer wieder von Autofahrern überholt wurde. Es ging schon, nur konnte ich mir nicht vorstellen, diese Strecke in zwei Tagen morgens früh absolvieren zu müssen, mit mehr als 20 kg Gepäck und dem Wissen, einen Zug erreichen zu müssen. Aber dazu später.
Ich erreichte die Außenbezirke von Limoges nach ungefähr einer Stunde. Bis zum Zentrum aber musste ich einen Hügel hinauf. Wie gut das geht, hatte ich in den letzten Tagen ja eingehend erfahren. Es war anstrengend. Hin und her schickte mich OsmanD, während ich das Rad schob. An Fahren war bei diesen Steigungen nicht mehr zu denken.
Und dann war ich eher plötzlich und zufällig angekommen. Im Zentrum von Limoges.
An einem großen Marktplatz mit Markthallen kam ich hinaus. Hier bewegten sich einige Menschen in einer ansonsten fast vollkommen ausgestorbenen Stadt. In den Markthallen aber herrschte zumindest etwas Leben, viele Leute kaufen sich hier anscheinend ihren Lunch, den sie dann draußen auf Bänken und Tischen verzehren. Ich aber lief durch den alten Stadtkern, vorbei an Fachwerkhäusern. Und wollte mich nicht so recht für Limoges erwärmen. Ich kam mir vor wie am Ende Frankreichs. Hier in der Mitte scheint mir dieses Land zu Ende. Sackgasse. Nicht an den Küsten, nicht an den Grenzen zu anderen Ländern, sondern hier. Wie ausgestorben wirkte das Zentrum jetzt, ein paar Touristen, ansonsten verirrte sich niemand her. Es war fast schon eigenartig.
Ich fand die Rue de Boucherie, die Straße der Fleischer/Schlächter, die überall ausgewiesen ist. Eine alte Straße einer alten Innung. Leider wurde sie großzügig renoviert, war also in weiten Teilen abgesperrt. Trotzdem hatten die alten Fachwerkhäuser Flair.
Ich bewegte mich weiter, kam aber bald zu dem Schluss, die schönsten Teile von Limoges bereits besichtigt zu haben. Nun, das stimmte nicht ganz. Die Stadt begann erst, mir besser zu gefallen, als ich mich auf den Weg zum Gare begab. Vorbei am modernen Place de la Republic, der weit und großzügig sehr freundlich wirkte. Einige Parks passierte ich, bevor ich zum Bahnhof kam. Er wird im Rough Guide gepriesen, als schönes Beispiel für einen Jugendstilbau. Er erinnerte mich ein wenig an die Bahnhöfe in Prag, seine Bronze-Kuppel und der lange Turm sind weithin sichtbar. Hier fühlte ich mich erstmals wohl und das Gefühl, meinen Besuch bereut zu haben, verschwand. Dann kaufte ich übrigens Tickets für meine Weiterfahrt, am Dienstag. Erst von Limoges nach Ussel, dann weiter nach Clermont. Und, zusätzlich, eine einfache Fahrt von Aixe-sur-Vienne nach Limoges, wenn auch zu einem anderen Gare, der aber nicht weit entfernt ist von dem, wo ich mich befand. Also hatte ich mein Problem gelöst, ich muss übermorgen nicht in diese Stadt radeln. Es geht auch so.
Zufrieden machte ich mich auf den Rückweg in die Stadt, sah plötzlich ein Schild: Jardin Botanique. Der steht auch im Rough Guide. Also änderte ich meinen Kurs und schaute dort vorbei. Er liegt gleich neben der an diesem Tag geschlossenen Kathedrale. Und hier war ich dann vollends zufrieden. Es ist komisch, aber Limoges wuchs in meiner Anerkennung. Manchmal dauert es ein bisschen länger. Es hatte aber auch mit meiner Müdigkeit zu tun. Und meiner daraus resultierenden Grantigkeit. Ist eben manchmal so. Hier, bei der Kathedrale, befinden sich übrigens auch noch ein paar malerische Fachwerkhäuser, die einen kleinen Platz umschließen. Der botanische Garten enthält übrigens laut Guide viele Heilkräuter. Und auch einige extrem giftige, was sich nicht unbedingt widersprechen muss. Hier hielt ich mich einige Zeit auf, ließ mir die Sonne auf das Gesicht scheinen und versprach mir selbst, morgen mal einen echten Tag Pause zu machen.
Und dann hatte ich genug.
Es ist komisch, aber so etwas entscheide ich von einem Augenblick auf den nächsten.
Ich lief zurück zu den Markthallen, die gerade schlossen, wodurch das Zentrum noch leerer wurde, schloss mein Rad ab und radelte auf dem gleichen Weg nach Hause. Es ging viel schneller, was mich denken lässt, dass es fast die ganze Zeit bergab ging. Das hieße, dass es auf dem Hinweg leicht bergauf gegangen war, was den Zeitunterschied zwischen Hin- und Rückfahrt erklären würde. Es ist egal, ich werde die Strecke nicht noch einmal fahren. Das sind die drei Euro wert, die ich für das Ticket am Dienstag nach Limoges bezahlt habe. Wirklich nicht viel.
Was ich morgen mache, weiß ich noch nicht, jedenfalls nichts Kräftezehrendes. Meine Beine schreien danach, sich einmal nicht bewegen zu müssen. Ganz ohne wird es nicht gehen, aber zumindest will ich das Rad stehen lassen. Ich werde schon etwas finden, was sich machen lässt. Es gibt doch immer irgendetwas, auch wenn es nicht das Aufregendste der Welt ist. Muss es ja auch nicht.
Manchmal sind die kleinen Sachen genauso lohnenswert wie die Großen.