Ein etwas ruhigerer, dennoch aber interessanter Tag.
Es ist unfassbar, wie heiß es bereits morgens um sieben ist. Dehydriert erwachte ich, mit geschwollenem Gesicht und tiefen Tränensäcken. Ich fühlte mich hundeelend, dabei hatte ich am Abend zuvor noch nicht einmal Wein getrunken. Mein Rücken. Meine Güte.
Schmerzen.
Aber der Witz war, dass ich inzwischen die Übungen kenne, um sie fast vollständig zu eliminieren. Bewegung. Dehnung. Und auch gezielte Kraftübungen. Alles in allem eine halbe Stunde. Die mir aber sehr guttat. Jeden Tag möchte ich es nicht machen, vielleicht aber vereinfacht. So überlebe ich aber vielleicht dieses Campingerlebnis. Wahrscheinlich ist es in meinem Bett in Berlin auch nicht besser. Schmerzmittel möchte ich jedenfalls nicht mehr oft nehmen. Mal sehen, ob es dabei bleibt.

Ich trödelte wieder. Es wäre sicherlich besser gewesen, wenn ich früher abgefahren wäre. Aber so kam ich erst gegen halb zehn los. Ich weiß nicht, was in den Stunden vorher passierte. Wahrscheinlich war es die Freude über die Hausdurchsuchung bei Trump. Haben sie ihn jetzt? Keine Ahnung, ich würde es mir wünschen.

Die Strecke war ähnlich wie gestern. Ich radelte in Richtung Korinth. Ich war ein wenig beunruhigt, hatte ich doch am Tag zuvor einige Begegnungen mit wilden Hunden gehabt. Zwei davon waren Wachhunde, nicht eingesperrt, die mich angeregt bellend ein paar Meter begleitet haben. Ich bin ruhig an ihnen vorbei, habe nicht beschleunigt, aber auch nicht angehalten. Im Grunde waren die harmlos.
Dann aber traf ich auf eine streunende Hündin mit tief hängenden Zitzen. Die war zuerst friedlich, dann aber verfolgte sie mich bellend. Bei diesen Hunden weiß ich nie so recht. Sie verfolgte mich etwas. Vielleicht fragte sie auch nur nach etwas zu fressen. Im Grunde aber konnte ich das Risiko anzuhalten nicht eingehen. Ich kenne die Körpersprache von Hunden nicht. Wenn ich angebellt werde, verschwinde ich. Bei Katzen ist es etwas leichter, die Körpersprache kenne ich ansatzweise. Hundefutter hatte ich sowieso nicht dabei, anders als Katzenfutter. Viele Streuner habe ich aber auch nicht gesehen. Allerdings ist es so, dass mir jedes Tier leid tut, das solch ein Leben führen muss. Egal ob Hund oder Katze.

Mein Weg führte mich nach Korinth, dem modernen Teil, also der echten Stadt. Gestern hatte ich noch überlegt, aber ich finde es richtig, auch die Orte zu besuchen, in denen die modernen Griechen leben. Korinth ist nicht weit entfernt vom Campingplatz, vielleicht zehn Kilometer. Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, mich zu orientieren. Ich radelte an etwas seelenlosen Betonbauten vorbei, die alle aussahen, als wenn sie bald vollends abbröckeln würden. Irgendwann aber tauchten die ersten Cafés auf. Also fuhr ich weiter, bis ich mich am Meer wiederfand. Und hier sah ich die Hafenpromenade.
Es gibt Menschen, die empfinden diese Promenaden als überkommerzialisiert. Das kann ich verstehen. Für mich als Berliner aber stellen sie die ideale Nutzung von einem solchen Gelände dar. Es gab einen Strand, der in Teilen von Cafés und Bars genutzt wird. Man kann Sonnenschirme und Liegen nutzen oder sich einfach in die Cafés selbst setzen. Auch Tavernen und Restaurats gibt es. Es ist low key, kein Luxus, aber auch nicht schäbig. Jedes Etablissement hat seinen eigenen Charme. Die Griechen nutzen diese Einrichtungen zur Genüge. Sie waren nicht voll, aber auch bei weitem nicht leer. Touristen sah ich keine. Aber vielleicht waren es auch die Griechen, die Urlaub machten. Welcher Westeuropäer fährt schon hierher? Aber vielleicht irre ich mich auch.

Ich hatte danach Schwierigkeiten, die Innenstadt zu finden, also das, was man gemeinhin als Zentrum bezeichnen kann. Es ist allerdings eine kleine Stadt, also kurvte ich nur ein paar Minuten umher, bevor ich meine, fündig geworden zu sein. Das Zentrum liegt eher im Norden der Stadt, nicht in der Mitte. Es besteht aus einer ausgedehnten Fußgängerzone. Geprägt, wie sollte es anders sein, von Cafés und Einkaufsmöglichkeiten. Ich wanderte einmal hindurch. Nur um die Atmosphäre zu schnuppern. Anders als in Kalamata allerdings glaube ich nicht, dass es meine Stadt werden könnte. Es ist so ein Gefühl. Es fehlt etwas, von dem ich nicht sagen kann, was es ist.
Vielleicht fuhr ich deshalb wieder recht schnell ab. Ich wollte noch nach Loutraki. Auch so ein Ort.
Und plötzlich frischte der Wind auf. Es war unglaublich, die Straße führte nach unten, ich hätte also einfach rollen können, musste aber im zweiten Gang mächtig treten, so schlimm war es. Ich fuhr an ziemlich heruntergekommen Gegenden vorbei. So etwas gibt es immer wieder, wahrscheinlich noch die Hinterlassenschaften von 2008, der größten Krise in Griechenland seit dem Krieg.
Und dann kam ich in Loutraki an. Es waren nur ein paar Kilometer. Nebenbei passierte ich wieder den Kanal, ohne es recht zu merken. Eine Holzbrücke sah etwas gebrechlich aus, aber es war nicht schlimm. Mit dem Rad muss man aufpassen. Erst später merkte ich, dass es der Übergang vom Golf von Korinth zum Isthmuskanal war. Es ist erstaunlich, wie schmal dieser Kanal hier ist. Und welch große Schiffe trotzdem durchfahren. Ich habe kein Foto gemacht, weil ich schlichtweg nicht wahrgenommen habe, um was es sich handelte.

Loutraki kam mir vor wie ein riesiges Touristenressort. Eine Strandpromenade, die kaum aufhören mochte, viel zu lang für eine kleine Stadt. Es kam mir auch etwas billig vor. Keine Ahnung warum. Vielleicht lag es an der Sorte Touristen, eher ältere Leute. Ich sah nur wenige Familien. Junge Menschen schon gar nicht. Wie überhaupt auf der ganzen Reise. Müssten nicht die Studenten jetzt unterwegs sein? Vielleicht haben sie dieses Jahr kein Geld dafür. Ich könnte es verstehen.
Ich suchte eines der Cafés aus, auch um mich vom ermüdenden Wind zu erholen. Hier saß ich dann anderthalb Stunden, sah eine Linda Ronstadt-Dokumentation. Unfassbar, dass man die größten Superstars aus der Vergangenheit kaum kennt. Die Béyoncé ihrer Zeit, vielleicht größer. Eine Künstlerin, die sich immer wieder neu erfunden hat. Ich kannte sie nicht, bis Ehefrau Nina mir eine Netflix-Serie empfohlen hat. „Ein Teil von ihr“. Und einer der Hintergrund-Songs fiel mir auf. Man findet so etwas ja durch Google recht schnell, es genügen ein paar Worte Text. The stone Ponys – Different Drum. Mehr als 50 Jahre alt. So kann es kommen. Es zeigte mir wieder, wie vergänglich alles ist. Aber dieser Mensch hat es richtig gemacht. Sie hat einfach das getan und gesungen, was sie künstlerisch machen wollte. Einfach machen. Es ging nie um Geld. Ich hoffe, dass ich das eines Tages auch sagen kann.

Der Weg zurück führte mich dann durch Loutraki selbst, eine Stadt, die ich kaum wahrgenommen habe. Nur als gewaltige Strandpromenade, irgendwo muss noch ein Casino sein. Vielleicht deshalb die Klientel. Nein, hier möchte ich nicht wohnen. Danke.
Der Wind blies bei Weitem nicht mehr so stark, sodass ich meine Kräfte schonen konnte. Sehr schön. Unterwegs kam ich noch am Busbahnhof vorbei, er wird in den nächsten Tagen wichtig werden. Wie mir ein Angestellter mitteilte, fahren alle wesentlichen Busse hier vorbei. Also auch in ein paar Tagen einer nach Ionnia oder Igoumenitsa. Bald ist es Zeit, meine Rückreise anzutreten. Ich möchte mich zumindest erkundigen, welche Optionen ich habe. Wahrscheinlich geht es ja über Italien zurück, Serbien will ich meiden, zu russenfreundich.
Aber Morgen fahre ich erst einmal nach Nafplion. Und dort bleibe ich ein paar Tage. Weil ich es kann und noch die Zeit habe.
Es wird ein weiterer Höhepunkt. Einer unter vielen. Ich kenne die Stadt, habe aber keine Probleme, sie noch einmal zu besuchen. Manchmal muss man seine eigenen Regeln brechen, wenn es Sinn ergibt.
Ist doch auch schön.