Die Ankunft der Fähre in Patras gestern verzögerte sich. Und für mich wurde es immer nerviger. Ich weiß nicht warum, aber ab einem gewissen Zeitpunkt gegen 22 Uhr wollte ich nur noch von dem Boot herunter. Wir waren aber noch lange nicht da. Erst gegen Mitternacht öffneten sich die Luken.
Ich war wie in Trance. Und vollkommen am Ende, mental und physisch. Trotzdem radelte ich so rasch es ging zum Hotel ungefähr fünf Kilometer entfernt vom Hafen. Es ging wirklich schnell.
Und da war ich nun, gegen halb eins. Ich war müde, aufgedreht, hungrig, durstig. Also lief ich tatsächlich noch einmal los, um etwas zu essen und zu trinken zu kaufen. Zu trinken, damit meine ich natürlich Retsina. Und tatsächlich musste ich nicht lange suchen. Ein Kiosk hatte noch auf. Wein, Bier, Cola, Fanta, Eis, Chips, Schokolade. Alles, was ungesund ist, ist 24 Stunden erhältlich. Auch Pita. Und dahin gingen also meine vegetarischen Vorsätze. Aber so ernst nehme ich das nicht.
Letztlich kam ich nicht vor zwei ins Bett, hatte bereits nachts heftigste Kopfschmerzen. Morgens auch noch. Es war kein Kater, dazu hatte ich nicht genug Wein, wahrscheinlich war ich dehydriert. Ich hatte auf der Fähre kaum mehr als einen Liter Wasser getrunken. Und das in den 35 Stunden, in denen ich mich auf ihr befunden hatte.
Mein Tag begann gegen acht, also relativ früh in Anbetracht der Tatsache, dass ich erst sehr spät oder früh angekommen war.
Als Erstes ging ich zum nahen Busbahnhof, nur 100 Meter vom Hotel entfernt. Und hier wurde meine Weiterreise vollkommen durcheinandergeworfen. Kein Bus nach Kalamata am Samstag!
Au man.
Erst Sonntag.
Na ja, ich machte mir wenig daraus. Dann eben erst am Sonntag. Ich dachte nicht lange nach, verlängerte meinen Aufenthalt im Hotel um eine Nacht und hatte nun also mehr Zeit, Patras zu erkunden. Schnell stellte ich fest, dass man eigentlich nicht zwei Tage für die Stadt brauchen würde. Als Erstes lief ich zur Treppe St. Nicholas, die sich an die Shoppingmeile anschloss. Der Weg zum Kastell war recht kurz, wobei man sagen muss, dass die Innenstadt von Patras wirklich kompakt ist. Das Kastell erreichte ich nach wenigen Hundert Metern nach der Treppe. Eine Angestellte teilte mir mit, dass man es gratis besichtigen kann. Warum eigentlich? Es ist ziemlich großartig. Hier befand sich einst das römische Zentrum der Stadt, dann natürlich mehrere Burgen, auch eine fränkische. Jeder hat etwas hinzugefügt. Es wird auch noch ausgegraben. Was natürlich herrlich ist, ist die Aussicht auf die Stadt und den Peloponnes. Und Griechenland selbst auf der anderen Seite. Die kahlen Hügel, wie habe ich sie vermisst?
Was ich allerdings noch nicht empfand, war ein Gefühl des Ankommens.
Mir macht das ein wenig zu schaffen. Ich reise frenetisch von einer Ecke Europas in die andere. Ohne Sinn, manchmal ohne Verstand. Nirgends bleibe ich lange. Nirgends lasse ich zu, mich zu verwurzeln. Ich habe das in dieser Form noch nie erlebt. Noch nie habe ich auf einer Reise derartig enthemmt die Orte und Länder gewechselt. Ich verstehe es nicht wirklich. Etwas ist anders. Nur was?
Das Kastell ist gut gepflegt, darin befindet sich etwas, das ich beinahe als Garten bezeichnen würde. Blühender Oleander, Olivenbäume, sogar etwas Rasen. Es scheint ein Herzensprojekt der Stadt zu sein. Ich erklomm zwei Türme, genoss die Aussichten. Verbaut waren wie üblich Teile der antiken Stadt. Ich erkannte ein ionisches Kapitell. Witzig. Auch diverse Marmorblöcke. Menschen nehmen, was sie finden.
Patras liegt strategisch wichtig in der Nähe des Isthmus. Daher die Bedeutung.
Als Nächstes wollte ich das römische Odeon sehen, ein kleines antikes Theater, nach dem Kastell das zweite wichtige Gebäude von touristischem Interesse. Leider war es zu. Manchmal kann man solche Gebäude zumindest von außen bewundern, nicht hier. Die Aufbauten sind rekonstruiert worden, sodass der Blick ins Innere versperrt war. Etwas ärgerlich.
Ich lief danach noch etwas durch die Stadt. Durch die Einkaufspassage. Jedes zweite Geschäft hat etwas mit leiblichem Wohlergehen zu tun. Cafés, Bäckereien, Pitabuden, Pizzerien, Sandwicherien, Restaurants, Bars. Es ist wirklich alles dabei. Und sehr lebendig. Trotz des griechischen Wirtschaftszustands scheinen sich die Leute immer mal etwas zu gönnen. Aber das habe ich auch schon früher beobachtet. Wirklich angenehm. Es ist ja auch nicht mehr so schlimm wie früher. Griechenland erlebt einen Boom. Das haben sie auch verdient, nachdem sie so lange gelitten haben.
Nach einer längeren Siesta im Hotel, bei der ich merkte, wie sehr mir die Überfahrt der letzten beiden Tage noch in den Knochen sitzt, ging ich nachmittags los und setzte mich ebenfalls in ein Café. Und blieb über eine Stunde sitzen. So wie viele Griechen es machen. Vielleicht kam ich ein wenig an. Ganz ist es noch nicht passiert, aber ein wenig. Die Entspannung, die ich oft sonst empfinde, fehlt noch. Vielleicht geht es mir auf dem Campingplatz in ein paar Tagen besser. Mal sehen.
Aber das ist müßig, es sind noch zwei Tage bis dahin.
Nach meinem Cafébesuch lief ich noch zur Kirche Agios Andreas, die man unbedingt sehen sollte, wie mir eine Internetseite mitteilte. Sie ist nicht so alt, vielleicht 100 Jahre. Aber sie ist interessant. Ein griechisches Kreuz von beachtlicher Größe, innen mit der typischen Malerei, in der man noch die Kunst von Byzanz nachempfinden kann. Auch Mosaike. Ein wenig fühlte ich mich nach Ravenna zurückversetzt. Man, das ist erst eine Woche her.
Diese Fährfahrt stellt wirklich einen Bruch in dieser Reise dar. Alles, was vorher war, befindet sich plötzlich in einer anderen Dimension. Es ist noch da, aber unerreichbar. Frankreich, Korsika, Italien. Verschwunden in den Sphären der Unendlichkeit. Nur noch schleierhafte Erinnerungen, traumhaft und etwas unwirklich.
Vielleicht fällt es mir deshalb so schwer zu verstehen, dass ich jetzt in Griechenland bin. Es war eine harte Transformation, aber sie ist geglückt. Reisen ist so viel mehr als nur Ortswechsel. Es ist eine Charakterfrage, wie man diese auf sich wirken lässt.
Morgen habe ich also noch Zeit. Ich werde sie nutzen, um mir das archäologische Museum anzusehen. Und einen Blick auf die Brücke zum Peloponnes werfen, die ich vor 12 Jahren überquert hatte.
Nun, so ist es jetzt.
Ich bin hier. Und werde zusehen, auch in den nächsten Tagen wirklich anzukommen.
Besonders mental.