Mein Zusatztag in Patras.
Er war nicht geplant und kam nur zustande, weil heute kein Bus nach Kalamata fuhr. Also sah ich es als eine Art Fügung, die ich ausnutzen wollte. Ich denke, ich habe das beste daraus gemacht und einiges verstanden, besonders über Griechenland.
Es war ein langsamer Start in den Tag. Wieder hatte es mich erwischt. Rücken. Blockierte Muskeln auf der linken Seite, wahrscheinlich auch rechts. Es ist schmerzhaft, es fiel mir schwer, die Arme zu heben. Es ist unangenehm. Zum Glück aber reicht noch eine Ibuprofen, um mich über den Tag zu bringen. Die Matratze hier im Hotel hilft sicher auch nicht gerade. Ich habe den Eindruck, dass meine Term-a-Rest-Matte besser für mich ist. Wahrscheinlich ist es Unsinn, Rückenschmerzen habe ich nun seit einigen Wochen.
Egal.
Es behindert mich, aber es hält mich nicht ab, etwas zu unternehmen.

Gegen zehn holte ich das Rad aus dem Foyer des Hotels und lief als Erstes zum Busbahnhof, um mein Ticket für die Fahrt nach Kalamata morgen früh zu buchen. Die Griechen sind nett und zuvorkommend. Und geduldig. Danach radelte in Richtung des archäologischen Museums. Etwa zwei Kilometer, im Grunde ziemlich weit außerhalb des Zentrums. Es ist in einem modernen Gebäude untergebracht. Ich kann mir denken, dass die EU viel Geld zugeschossen hat. Jedenfalls ist es modern, aber auch nicht mehr ganz neu. Die Kuppel vor dem Eingang glänzt nicht mehr so, auf dem hinteren Parkplatz wächst bereits das Gras und durchstößt den Beton. Aber innen war es vorbildlich. Und es war witzig, denn ich war der einzige Besucher. Fünf Wächter konnten mich praktisch meinen gesamten Besuch hindurch beobachten.
Aber welch ein Unterschied zu dem Museum vor sechs Tagen in Triest. Dieses hier, ein modern gestaltetes Museum, das eigentlich nur aus drei Räumen besteht, die aber open plan sind, also wie große weite Flugzeughallen. Oder Kathedralen. Luftig, hell, mit modernen Medien bestückt. Überall liefen Filme auf Monitoren. Sofort sprangen mir die Mosaike ins Auge, kein Wunder, sie dominieren auch den ersten Raum.
Ich lernte viel über die Gegend. Im Grunde ist es wirklich ein regionales archäologisches Museum. Und ich wünschte, ich hätte mein Busticket noch nicht gekauft, denn es gäbe Orte, die ich mit dem Rad bequem hätte erreichen können. Mykenische Städte, eine davon ca. 40 Kilometer westlich von hier. Das hätte ich sicher geschafft. Nun aber ist es zu spät, es ist auch nicht so schlimm.
Der Ort Patras oder deren Vorgänger ist jedenfalls schon seit Jahrtausenden besiedelt. Mykener, Griechen, Römer, Franken, Byzantiner, Osmanen. Alle waren hier und haben Spuren hinterlassen. Das Museum widmet sich erst dem öffentlichen antiken Leben vor Ort, dann im zweiten Raum dem privaten. Besonders letzteres ist natürlich interessant. Haarmoden, Hygiene, Berufe. Im zweiten Raum also erkundete ich, wo im Grunde die Ausgrabungsstätten in der Stadt sind. Eigentlich wollte ich diese gestern schon erkunden, aber sie sind eben nicht ausgeschildert. Das Museum ist eine gute Vorbereitung für einen Besuch. Alle wertvollen Stücke allerdings, die eigentlich in der Stadt hätten sein sollen, sind natürlich hier. Gerettet. Trotzdem war es unheimlich interessant. Ich studierte die Landkarte, versuchte, die Orte zu finden. Dank Internet im Museum kein Problem. Besonders das antike Stadion wollte ich heute noch finden.
Letztlich ist es also so, dass die antike Stadt noch immer unter dem heutigen Patras liegt. Überall sind hier kleine Ausgrabungen offen, das meiste aber ist erst einmal unter den Betonklötzen der Moderne verschwunden. Was ja nicht heißt, dass es weg ist. Nur eben nicht sichtbar. Nachkommende Generationen werden also die Ehre haben, sich hier ebenfalls archäologisch zu betätigen.
Und dabei sind wir schon an der Lektion heute angekommen. Wie so oft in antiken Stätten, die unter den neuen versteckt sind, muss man etwas suchen, bis man sie findet. Im Grunde ist das Straßenmuster wahrscheinlich sogar noch immer so erhalten, wie es in der Antike einmal errichtet wurde. Patras ist im Schachbrettmuster angelegt, so wie die perfekte griechische und römische Stadt. Ich vermute also, dass es genauso geblieben ist, nur mit moderneren Gebäuden.
Wenn man also diesen Ort erkundet, muss man sich etwas Mühe geben. Man muss suchen, Karten abgleichen, lesen. Diese wuselige Hafenstadt verbirgt dabei mehr als sie preisgibt. Und das versöhnt mich mit dem „verlorenen“ Tag heute, der alles andere als verloren war. Immerhin begreife ich langsam, wie ich meine Erkundungen hier in Griechenland angehen muss.

Witzigerweise muss ich gerade an Assassins Creed Odyssee denken, ein Spiel, das ich geliebt habe. Und noch immer liebe. Es spielt in Griechenland. Und ich denke, in Patras ist eine der mächtigsten Festungen des Spiels untergebracht. Ich muss es mir nochmal ansehen, wenn ich wieder zu Hause bin.
Der letzte Raum des Museums widmet sich Beerdigungsritualen. Da hatte ich allerdings bereits meine üblichen zwei Stunden hinter mir und war nicht mehr fähig, viel aufzunehmen. Ich ging trotzdem nochmals durch. Es gibt in der Nähe von Patras ein mykenisches Gräberfeld. Ich kann mich erinnern, dass ich auf Kreta letztes Jahr ziemliche Strapazen auf mich genommen habe, um ein solches zu sehen. Ich konnte mich gut daran erinnern. Aber dieses Mal werde ich es nicht besichtigen. Vielleicht sehe ich auf dieser Reise Mykene selber wieder, aber das weiß ich noch nicht. Schließlich kenne ich es schon.

Nach dem Museumsbesuch gönnte ich mir eine kleine Radtour zum Meer. Ich wollte die Brücke sehen, die den Peloponnes mit dem Rest Griechenlands verbindet. Und ich sah sie auch. Ein unfassbares Konstrukt, leicht und luftig und trotzdem ungemein stabil. Das Unglaubliche: Ich vergaß, ein Foto zu machen. Es konnte nur geschehen, weil ich mich an den Strand setzte und es dann einfach vergaß. Nun, wir werden es überleben. Zum Glück gibt es Wikipedia.
So zumindest verbummelte ich eine glückliche Zeit, indem ich den Wellen zusah. Es war auch etwas windig, sodass die Hitze erträglich war. Danach fuhr ich wieder in die Stadt, um einen Espresso zu trinken. Keinen griechischen Kaffee. Warum eigentlich nicht? Ich muss mal weg von der italienischen Variante. Ist ja unerträglich.
Und wieder vergaß ich die Zeit.
Trotzdem lief ich aber am Nachmittag nochmals los. Und dann fand ich es. Das Stadion, oder besser das, was davon im Moment sichtbar ist. Eindeutig erkannte ich die Bögen, durch die die Zuschauer damals zu ihren Plätzen kamen. Der Witz: Dieser Ort ist nirgends ausgeschildert. Nichts weist darauf hin. Auf Google Maps muss man auch ordentlich suchen. Warum eigentlich?
Es muss noch mehr Ausgrabungen geben, eine fand ich zufällig, weiß aber nicht, was es war. Wenn man länger hier ist oder hier wohnt, kann man sich sicher eine Weile damit beschäftigen. Ich würde es jedenfalls machen.
So jedenfalls verbrachte ich den letzten Tag hier. Ab morgen geht es weiter, dann auch wieder auf Campingplätzen. Ich bin ganz glücklich darüber. Ist auch preiswerter.
Ich bin nicht unglücklich über meinen verlängerten Aufenthalt hier. Wenn man sucht und sich beschäftigt, findet man auch hier Dinge, die interessant sind. Patras liegt sicher nicht auf der Hauptroute der Touristenpfade. Aber es ist einen Besuch wert. Auch einen längeren.
Das ist die Quintessenz.
Und ich bin zufrieden.