Und heute drohte ein Gewitter.
Um halb sieben weckte mich das laute Grummeln, das dann auch das Ende der Nacht einläutete. Im Sand steht das Zelt nicht besonders gut, weshalb ich aufstand und es befestigte. Mehr als ein paar Tropfen aber erreichten uns hier in der Mitte der Île de Ré nicht. Dafür aber war die Luft hinterher klarer und frischer. Ich weiß nicht, wo der Regen niedergegangen ist. Aber er sorgte trotzdem erst einmal für Abkühlung.
Es war trotz des etwas abrupten Aufstehens ein etwas ruhigerer Tag. Letztlich gibt es hier auf der Insel nicht so viel zu tun. Vielleicht bin ich deshalb auch hier. Erst einen Kaffee, dann Yoga, dann Frühstück. Ein langsames Hochschalten also. Gegen halb zehn hatte ich aber nichts mehr zu tun, weshalb ich abfuhr. Ich wollte an das andere Ende der Insel, zum Leuchtturm. Der Radweg führt leider nicht direkt an der Küste entlang, sondern eher im Inneren der Insel. Selten kommt mal das Meer zum Vorschein. Dafür aber kommt man rasch voran, auch wenn ein kräftiger Gegenwind heute doch für einigen Muskelschmerz sorgte. Eine halbe Stunde später erreichte ich Ars-en-Ré, wo der Film „Moliere auf dem Fahrrad“ gedreht wurde. Ich erkannte nichts. Ist auch nicht so schlimm. Vorbeigekommen war ich jedenfalls an riesigen, miteinander verbundenen Salzbecken, die nach einem ausgeklügelten Muster so konzipiert sind, dass der Salzgehalt von Becken zu Becken immer weiter steigt. Am Ende wird es dann aus dem Wasser herausgeschabt. Und dann natürlich verkauft. Überall stehen Verkaufsstände, manche mit Verkäufer, manche ohne, wobei man auf Vertrauensbasis einfach Geld einwirft. So wie bei manchen Datschen in Brandenburg, wo Gemüse auf der Straße angeboten wird.
Ich überlegte kurz, ob ich etwas kaufen wollte, entschied mich aber dagegen. Eigentlich schade, denn etwas Fleur de Sel würde sich auf Tomaten mit Olivenöl großartig machen, aber ich kann nicht noch 200 Gramm Edel-Salz mit mir herumschleppen. Weniger ginge. Aber das gibt es nicht.
Ars ist eine nette kleine Stadt, ebenso andalusisch, mit weiß getünchten Häusern und Dächern mit roten Ziegeln. Der Marktplatz mit Kirche braucht sich nicht zu verstecken, prächtige Bauten umranden ihn. Diese Gegend muss einmal ziemlich reich gewesen sein. Kein Wunder, Salz war das weiße Gold des Mittelalters und auch später noch.
Ich fuhr zum Strand, um wenigstens einmal kurz das Meer zu sehen. Aber es war gerade fort. Ebbe. Dann ist hier meist nicht mehr zu sehen als ein paar Felsen und jede Menge Algen. Erst am Abend wird es wieder bis auf wenige Meter zum Ufer kommen. So war es zumindest gestern.

Ich radelte weiter, erreichte den berühmten Leuchtturm der Insel, den Phare des Baleines.
Bevor ich mich allerdings darauf zubewegen konnte, musste ich erst durch eine Art Einkaufsstraße hindurch. Nicht schlecht vermarktet. Der Ort war auch gut besucht, wahrscheinlich kommt jeder Tourist mal hierher. Ich jedenfalls lief einmal um den Leuchtturm herum, sah daraufhin den alten Leuchtturm, den niemand anderes als Vauban, der „Militär-Architekt“ von Louis XIV, hat erbauen lassen. Ihm bin ich bereits überall in Frankreich begegnet. Neuf-Brisach und Villefranche-de-Conflent fallen mir ein, aber ich habe seine Werke noch öfter betrachten können, weiß aber nicht mehr wo oder wann. In den Parks rund um den Leuchtturm ruhte ich mich aus. Ich weiß auch nicht, warum ich zu diesem Zeitpunkt gerade so am Ende war.
Das war auf jeden Fall bereits das Highlight des Tages. Weiter fuhr ich nicht. Wahrscheinlich hatte mir der Gegenwind zugesetzt, anders kann ich es mich nicht erklären.
Ich fuhr also zurück nach Ars, wo ich vorhatte, mich für ein paar Minuten an den Strand zu legen. An einem bewölkten Tag wie diesem erschien mir das eine gute Idee. Aber als ich ankam, glühte die Sonne vom Himmel. Ich legte mich trotzdem kurz hin, auf den weißen Sand, schattenlos. Es war inzwischen brennend heiß. Keine fünf Minuten hielt ich es aus. Das ist leider der Nachteil an dieser Gegend, es gibt kaum natürlichen Schatten. Keine Pinien, keine Sonnenschirme von Anbietern, nur die sengende Sonne. Leute ertragen sie hier. Ich aber habe zu viel Respekt davor. Die letzten zehn Kilometer fuhr ich also ohne große Pause zurück.

Das war im Grunde bereits die Beschreibung des Tages. Im Grunde ist es wundervoll, weil die Insel selbst bereits die Attraktion ist. Man muss sich nicht von Höhepunkt zu Höhepunkt schleppen, sondern kann sie genießen, wo immer man ist. Vielleicht ist sie deshalb so beliebt. Das Meer ist trotzdem immer und überall präsent, auch wenn man es nicht von überall aus sieht. Ich empfinde es als sehr angenehm.
Etwas, das mir ebenfalls auffällt: Ich entferne mich von meiner Verbindung zum Internet. Ich bemerke, dass ich eben nicht immer und überall online sein muss. In La Rochelle hatte ich auf dem Campingplatz gar kein Internet. Hier habe ich es, aber es stört mich nicht. Die Welt dreht sich weiter, wenn ich mal keine Nachrichten verfolge. Natürlich ist es wichtig, sich auf dem Laufenden zu halten. Aber es reicht, wenn ich ab und zu mal nachsehe. Wenn ich zu Hause vor dem PC sitze, kann ich oft die „Finger“ nicht davon lassen, immer und immer wieder nachzusehen, ob etwas geschehen ist. Es hat schon etwas von einer Sucht. Mal sehen, wie weit ich mich davon entfernen kann.
Leider geht aber leidet durch das Camping mein Rücken. Vielleicht liegt es an dem schiefen Boden. Auch Yoga hilft nicht gänzlich dagegen, wenn die gesamte Rückenmuskulatur blockiert. So ging es mir zumindest heute Morgen. Ob ich das jemals wieder hinbekomme? Ich hätte viel früher damit beginnen sollen, Sport zu treiben und habe den Eindruck, den Schaden nur noch eindämmen zu können.
Ich will nicht jammern. Es geht mir gut. Und ich bin an einem wundervollen Ort.
In Saintes, wo ich in zwei Tagen sein werde, muss ich übrigens entscheiden, wohin ich weiterreisen will. Das wird noch einmal spannend. Es gibt einige Möglichkeiten. Mal sehen, wie es am Ende kommen wird.