Ja, es hat funktioniert.
Aufgrund der Tatsache, dass es bereits gegen fünf hell wird, ist es nicht schwer, noch vor sechs aufzustehen. Ich brauche gewöhnlich nicht einmal einen Wecker. Auch heute nicht. Um ehrlich zu sein, hätte ich es auch geschafft, viel früher abzufahren. Aber irgendwie habe ich es nicht eingesehen und 25 Minuten Yoga gemacht. Es ist dann auch auf dem Rad besser, wenn die Muskeln gedehnt sind und aufgewärmt. So empfinde ich es zumindest.
Aber um zehn nach acht rollte ich vom Hof, auch weil ich warten musste, bis die Rezeptionistin die Rezeption um acht öffnete. Ich hätte schon gestern bezahlen können, aber war dann zu faul dazu.
Egal, um kurz nach acht war es auch gut.

23 Kilometer sollten es werden, ich rechnete mit zweieinhalb Stunden. Aber ich war schneller. Im Grunde war es eine eintönige Angelegenheit. Eine Hauptstraße entlang, zwischen Benefacio und Bastia sozusagen. Das Ungewöhnliche heute war, dass ich nicht ein einziges Mal absteigen und schieben musste. Ich werde kräftiger, profitierte aber auch davon, dass die Steigungen an diesem Tag weniger steil waren. Sonst wäre das nicht passiert. Links neben mir begleiteten mich die spitzen Berge, die nicht weit entfernt schienen. Irgendwie reizt mich die Bergwelt schon, aber ich weiß nicht, ob ich sie dieses Mal erkunden werde. Es zieht mich immer weiter, unersättlich. Ich komme tatsächlich nicht zur Ruhe. Ich hake einen Ort nach dem anderen ab, werde aber nirgends heimisch. Vielleicht ist das auch nicht der Sinn dieser Reise. Ich weiß es nicht. Irgendwann einmal muss ich es schaffen, auch alleine mal länger an einem Ort zu bleiben. Nur um der Erfahrung willen. In mir kommt die Idee einer Route für den Rest der Reise hoch. Ich will noch nicht darüber schreiben. Sie ist noch zu fragil und ich will sie nicht zerstören.

Um aber auf die heutige Fahrt zurückzukommen, war sie schneller beendet als gedacht. Schon gegen halb zehn erreichte ich Porto Vecchio, ließ den ersten Campingplatz, der direkt an der Hauptstraße liegt, liegen und radelte weiter. Im Grunde hatte ich fast die ganze Stadt umrundet, bevor ich abbog, um gegen Dreiviertel Zehn auf meinem Wahl-Campingplatz anzukommen. Er liegt ein wenig abseits, leider höre ich aber auch von hier noch die viel befahrene Straße. So war es dann also. Im Grunde war ich nur etwas über anderthalb Stunden unterwegs gewesen, oft bergab, weshalb ich sicher schneller war als sonst. Ich atmete auf, dem Dunstkreis von Bonifacio entkommen und aus dem absoluten Süden herausgekommen zu sein. Es war mir am Ende zu touristisch.
Hier, auf dem Campingplatz, erlebe ich eine Atmosphäre, wie ich sie aus dem Süden kenne. Gleißende Sonne, Hitze, der Duft nach verdorrtem Gras und Kräutern in der Luft und das Zirpen von Hunderten Grillen. Es ist noch nicht brechend voll, aber das wird sicher in den nächsten Wochen anders werden. Dann aber werde ich schon lange fort sein.

Ich ruhte mich nur ein wenig aus, dann radelte ich zum Hafen von Porto Veccio. Er scheint mir modern, macht also seinem Namen nicht wirklich Ehre. Aber er ist nicht so aufgeblasen wie der in Bonefacio. Zumindest wirken die Boote hier etliche Nummern kleiner. Vielleicht habe ich auch nur die Großen nicht gesehen.
Zur Altstadt, die über dem Hafen thront, muss man hinauflaufen, was ich dann pflichtbewusst tat. Ich ahnte, dass dieser Ort mich nicht lange fesseln würde. Was nicht heißt, dass man ihn nicht besuchen sollte. Es handelt sich im Grunde um eine alte Festung, in der es Wohnhäuser gibt, allesamt alt und ehrwürdig. In geraden Linien ziehen sich die Häuserreihen, die rauen Steine haben Patina. Auch hier dominieren Restaurants und Bars. Ich genoss den Spaziergang durch die geraden Gassen. Und die relative Stille des Ortes. Natürlich waren Touristen unterwegs, aber alles hielt sich im Rahmen. Irgendwann setzte ich mich in ein Café einer Boulangerie und ruhte mich aus. Auch wenn es nur eine kurze Fahrt gewesen war, brauchte ich nun eine halbe Stunde, um zu mir zu kommen. Nichts ist entspannter als in Ruhe irgendwo zu sitzen und das Leben vorbeiziehen zu sehen. Aus der Kirche am Place de la Republic, wo ich saß, kam eine Hochzeitsgesellschaft. Ich möchte nicht zynisch klingen, also enthalte ich mich eines Kommentars. Und klinge wahrscheinlich schon deshalb zynisch. Nein, es war ausgesprochen interessant. Die Anzüge der Männer und noch mehr die Kleider der Frauen waren wesentlich bunter als bei uns üblich. Es sah auch viel moderner aus. Italinated? Keine Ahnung. Jedenfalls habe ich hier generell den Eindruck, dass Italien näher ist als Frankreich. Es wird auch öfter gesprochen. Vielleicht ist daher Korsika schon die richtige Vorbereitung auf die nächste Etappe auf dem Kontinent.
Ich wanderte danach noch etwas durch die Gassen, stellte aber fest, dass die Altstadt wirklich kompakt ist. Will heißen, man ist relativ schnell durchgelaufen. Ich schlenderte also nochmals hindurch, entdeckte noch ein paar Ecken, stellte dann mit etwas Ärger fest, dass das Kastell samt Aussichtsplattform seit einigen Minuten geschossen hatte. Mit so etwas rechnete ich nicht. Es würde auch erst drei Stunden später wieder öffnen. So also sparte ich die zwei Euro, die ich gerne ausgegeben hätte. Sei es drum, vielleicht komme ich morgen noch dazu.
Morgen ist Sonntag. Irgendwie Ruhetag.
Im Grunde bin ich touristisch gesehen mit Porto Vecchio durch, aber ich bleibe trotzdem noch einen Tag. Es gibt sicher noch etwas zu entdecken.