Ein etwas ruhigerer Tag.
Und warum auch nicht?
Die Stadt ist nicht weit. Wie ich gestern erlebt habe, kann ich innerhalb von 20 Minuten im Zentrum sein. Daher beeilte ich mich nicht besonders heute Morgen. Tatsache aber war, dass ich um sechs aufstehen konnte. Die Nächte sind dann einfach vorbei, noch sind die Tage lang, auch wenn ich es bereits merke, dass sie kürzer werden. Besonders abends, wenn es gegen acht Uhr bereits dämmert. Das war vor einem Monat noch anders. Aber ich will mich nicht beschweren. Es ist, wie es ist. Hochsommer. Und den erreichen wir gerade.
Trotzdem fuhr ich erst gegen neun vom Campingplatz ab, noch nicht sicher, wie ich den Tag gestalten wollte. Nun, gegen elf, hatte ich einen Termin. Erst einmal aber radelte ich ziemlich direkt ins Zentrum zum Museo Archiescovie, wo sich auch die Capella di S.Andrea befindet.
Es handelt sich um das bischöfliche Museum, das ziemlich skurril ist, wie ich fand. Und zwar beinhaltet es Marmorbrocken. Ob man es glaubt oder nicht, Ravenna hatte früher noch mehr Kirchen als jetzt. Einige von ihnen sind nicht mehr da oder so umgebaut und eingerissen, dass Teile von ihnen nicht mehr gebraucht wurden. Und so kam es, dass einer der Bischöfe eine Faszination mit diesen Marmorbrocken entwickelt und diese gesammelt hat. Und das ist zu 80 % der Inhalt des Museums. Meist handelt es sich um Grabsteine, aber auch Verzierungen oder Teile von Sarkophagen sind dabei. Wovon es in Ravenna auch unheimlich viele gibt, die sich im ganzen Stadtbild verteilen. Auch antike Stücke, Füllmaterialien, oder man hat sie einfach umgedreht und als Wandverkleidung verwendet. Ressourcenschonung würde ich das nennen.
Die Hauptstücke aber sind die besagte Kapelle und ein Thron eines Bischofs aus Elfenbein. Die Kapelle, soweit ich das verstanden habe, ist eine Rekonstruktion. Und irgendwie sieht man das hier auch. Es ist eigenartig, aber sie interessierte mich nicht so sehr, wie es eigentlich hätte sein sollen. Ich muss mehr darüber lesen, das hatte ich versäumt. Aber manchmal ist es bei Kunstwerken gut, wenn man das nicht macht. Sie wirken dann ehrlich auf einen. Oder auch nicht.
Anders ging es mir im Baptisterium, eines der ältesten Gebäude Ravennas. Soweit ich es verstanden habe, war es früher ein römisches Bad oder Teil davon. Nun aber Taufkirche. Mit bemerkenswerten Mosaiken. Wieder scheinen sie eher aus dem östlichen Raum zu stammen, Byzanz hat sicher geholfen. Wahrscheinlich auch, weil es zu dieser Zeit der finanzkräftige Teil des Imperiums war. Das weströmische Reich war eindeutig im Niedergang, zumindest im fünften/sechsten Jahrhundert. Den Termin habe ich übrigens nicht wirklich wahrgenommen. Er war nämlich eine halbe Stunde später, nach elf. Ich war eine halbe Stunde eher da. Warum macht man diese Terminvergaben für Museumsbesuche eigentlich, die alles nur komplizieren? Egal.
Jedenfalls besuchte ich, nachdem ich das Ravenna-Ticket absolviert hatte, noch einige Kirchen. Und ganz ehrlich, ich kann und will sie eigentlich nicht mehr sehen. Natürlich, sie sind einzigartig. Jede für sich, besonders die alten Exemplare. Aber wie viele kann man denn sehen? Ravenna ist voll davon. Ein Übermaß an Gotteshäusern, viele davon noch in Betrieb. Ich meine, wir reden hier von einer Kleinstadt. Füllen die sich alle sonntags zur Messe? Die müssen ja auch noch unterhalten werden.
Es tut mir leid, dass ich etwas zynisch bin, aber mir kam es gerade heute etwas übertrieben vor. Stein gewordener Glauben, ich glaube nicht, dass dieser Satz irgendwo besser zutrifft. Und das bei einem Anführer, der arm war und sich dessen nicht geschämt hat. Aber Institution und Glauben sind zweierlei. Das Eine kann man verachten, das andere akzeptieren. Ist zumindest bei mir so.
Im Giardino Publico ruhte ich mich ein wenig aus, bevor ich zum Bahnhof lief und einige Verbindungen prüfte. Ich habe übrigens entschieden, noch einen Tag länger hierzubleiben. Morgen fahre ich tatsächlich mal ans nahe Meer, es wäre anmaßend, das nicht zu tun. Zeitlich habe ich noch sechs Tage, drei davon werde ich Triest weilen, nur einen bei Venedig, also habe ich diesen Tag morgen verdient. Die Anreise nach Triest bzw. Oppicino wird anstrengend, ich werde mich mental darauf vorbereiten. Wieder so eine Steigung auf einen Hügel hinauf. Das wird etwas. Wieder fünf Kilometer schieben. Oh weh. Aber ich bin selbst schuld.
Ich flanierte noch eine Weile durch Ravenna, gönnte mir sitzender weise einen Espresso, was finanziell keinen Unterschied machte. Es war schön, ein wenig abzuspannen. Muss man in Italien eigentlich machen. Tun die Italiener ja auch, wie sich an den vollen Tischen der Cafés zeigt.
Und dann war es vorbei.
Es gibt immer einen Moment, an dem ich genug gesehen habe. Genug aufgesogen, genug Atmosphäre gespürt. Bin voll bis zum Rand. Und das war eben ab einem gewissen Punkt am frühen Nachmittag der Fall.
Hätte ich noch mehr machen können? Sicherlich. Classe hätte noch zur Verfügung gestanden. Aber ich konnte keine Kirche mehr sehen. Das Museum nebenan ebenfalls, sicher wäre es ein guter Einstieg in die römische Zeit hier gewesen. Aber ich hatte genug. Vielleicht das nächste Mal. Eventuell wieder in 25 Jahren, wenn ich dann noch lebe. Nein. Es hat erst einmal gereicht.
Morgen also ist Ruhetag. Und danach werden wir sehen. Ich habe noch ein Buch über die Schiffstellerstadt Triest zu lesen, das kann ich morgen machen. Werde ich auch.
Und dann, in Griechenland, wird es sowieso ruhiger, was das Sightseeing betrifft. Ich habe im Moment das Gefühl, gesättigt zu sein.In Italien finde ich selten die richtige Balance.
Morgen gibt es eine Pause.
Ich werde berichten. Wahrscheinlich wird mir schnell langweilig.