Es wird heißer.
Der Morgen war noch recht kühl, aber die Temperaturen sollten an diesem Tag bereits 30 Grad erreichen. In den folgenden Tagen wird es noch sommerlicher, 35 Grad werden dann Standard sein.
So etwas hat natürlich Auswirkungen auf unsere Reise. Daher beschlossen wir, den heutigen Tag, an dem es anfangs noch nicht so tropisch war, auszunutzen. Wir wollten eigentlich nach Colorade, einem ehemaligen Ockersteinbruch in der Nähe. Für unsere Verhältnisse brachen wir relativ früh gegen 9:30 auf. Ich hatte im Haus ein Prospekt über die hiesigen Radwege gefunden. In diesem war ein Radweg aufgezeichnet, Vélo Ocre, also eine Route zwischen Rousillon und Colorade. Wir radelten also los, erst einmal in Richtung Apt, weil ich annahm, dass es von dort eine Abzweigung in Richtung Colorade geben würde. Natürlich hätten wir auch die Straße direkt an unserem Ferienhaus nehmen können. Aber auf Straßen macht das Radfahren nur halb so viel Spaß.
Um es kurz zu machen, wir fanden den richtigen Weg nicht. Manchmal war ein Schild da, manchmal nicht, sodass wir uns im Grunde sehr schnell in der vollkommen entgegengesetzten Richtung bewegten. Wir nahmen es gelassen hin, begruben unsere Pläne, nach Colorade zu fahren und beschlossen, einfach dem Radweg zu folgen. Route de Cavallon, so hieß er, glaube ich. Im Grunde schlugen wir den Weg in Richtung Avignon ein. Nicht, dass wir dorthin wollten. Ein Wort noch zu den Rädern, Ehefrau Nina benutzte mein Faltrad, ich ein 26-Zoll-Damenrad, das hier zum Ferienhaus gehört und sicher einmal ein Schnäppchen in einem Supermarkt gewesen ist. Von den angeblich sechs Gängen funktionierten immerhin drei, die Bremsen waren gewöhnungsbedürftig, aber sonst rollte es relativ gut in der Landschaft umher. Nur einmal sprang die Kette heraus. Was soll’s? Das gehört wohl dazu. Ach ja, Steigungen konnte es genauso wenig wie das Faltrad, was die Ausrüstungsmerkmale zwischen den Rädern anglich.

Wir entfernten uns von Apt. Irgendwann sahen wir einen Abzweig in Richtung Roussillon. Es war kein Radweg, der ausgeschildert war, sondern ein Wanderweg. Und wir entschieden, dass wir dorthin wollten.
Es war irgendwie ein großer Schnitzer.
Am Anfang radelten wir noch auf einer Asphaltstraße. Daraus wurde irgendwann ein breiter Fußweg mitten in einem Weinhügel. Grenache zur linken, eine andere Rebsorte zur rechten.
Der Weg wurde steiniger, aber nicht schmaler, zumindest vorerst nicht. Längst waren wir abgestiegen, in der Hoffnung, bald wieder losradeln zu können. Daraus wurde nichts, denn der Wanderweg bog irgendwann ab.
Und nun wurde es abenteuerlich.
Die sandigen und felsigen Wege hatten jetzt bereits die in dieser Gegend üblichen Farben, alles zwischen Rot und gelb. Ocker. Das, was Roussillon berühmt macht. Nur waren wir noch gar nicht da. Es ging hoch und runter, wir rollten die Räder neben uns her, auf diesem schmalen Wanderpfand. Wir lernten also die Lektion, mit Rädern lieber nicht auf Wanderwege auszuweichen. Es war wirklich anstrengend. Wurzeln ragten aus dem Boden, manchmal bewegten wir uns auf nackten Felsen, manchmal auf rotem Sand, auf dem die Räder kaum rollten. Und immer pushten wir nach vorne.
Ich weiß auch nicht, warum wir mal wieder in solch einer Situation gefangen wurden. Aber es half nichts, ein Zurück wäre anstrengender gewesen als ein Voranschreiten. Tatsächlich erreichten wir irgendwann die Straße, ungefähr drei Kilometer waren wir durch ein Dickicht gelaufen, hatten einen Hügel passiert und waren wieder ein Stück nach unten gelaufen.
Nun aber befanden wir uns auf der Straße nach Rousillon, wo wir nach dreihundert Metern das Écomusèe d’Ocre erreichten. Hier stellten wir die Räder ab, ungefähr zwei Kilometer vor Roussillon entfernt, und wanderten den Rest der Strecke. Wenigstens mussten wir die Räder nicht nach oben schieben.

Roussillon hatte ich schon vorher zweimal gesehen. Es ist immer wieder einen Besuch wert. Schon als wir die kleine Stadt erreichten, strahlten uns die Farben entgegen. Die Häuser sind sicher auch aus den üblichen Steinen errichtet, hier aber sind sie verputzt. Jedes hat einen Ockeranstrich, alle sind etwas anders, wobei die Stadt eher in einem tiefen Rotstich leuchtet. Es ist ein farbenfrohes Fest der Sinne, in jeglicher Hinsicht. Hinzu kommt das satte Grün der Natur, die die Ockerfarben noch betonen. Die Augen wissen nicht, wohin sie zuerst schauen sollen. Natürlich ist Roussillon dadurch ein Anziehungspunkt für Touristen, aber ich habe es heute noch als recht ruhig empfunden. Wir wanderten durch die Altstadt, bewunderten die feine Keramik in den Läden, bis wir den Uhrenturm erreichten. Immer höher liefen wir, bis wir, den Kirchplatz passierend, die Aussichtspunkte erreichten.
Das Luberon lag uns wieder zu Füßen. Gordes war nicht weit, St. Saturnin-les-Apt auch nicht. Von anderen Punkten aus hatte ich Lacoste und Bonnieux bereits entdeckt. Alles wirkt irgendwie in Reichweite, selbst mit einem normalen Fahrrad. Das Luberon ist schon eine bemerkenswerte Gegend.
Nachdem wir uns am Hauptplatz des Ortes mit einem Kaffee gestärkt hatten, besuchten wir nochmals die Hauptattraktion des Ortes: die Steinbrüche. Ganze drei Euro kostet der Eintritt, wie ich finde, ist es unterbezahlt. Die bizarren Formen der Steine erinnern eher an den Grand Canyon, die Farben hingegen sind hier noch intensiver als in der Stadt. Es sind so viele, von hellem Gelb bis zum tiefsten Rot scheint alles dabei zu sein. Auf den Pfaden wurden wir an eigenartigen Felsformationen entlanggeführt. Ich glaube nicht, dass ich etwas Vergleichbares kenne. Obwohl ich schon zum dritten Mal hier bin, finde ich es immer wieder betörend. Was auch noch positiv hinzukommt: Die Pfade sind nicht fürchterlich lang, man braucht ungefähr eine halbe Stunde, wenn man dem längeren folgt. Im Prospekt steht zwar 50 Minuten, aber das ist übertrieben. So erlebten wir eine herrliche halbe Stunde inmitten der Farben und Formen. Und langsam wurde es wirklich heiß.

Gegen zwei entschieden wir uns zurückzufahren. Der Weg zu den Fahrrädern kam mir unnatürlich lang vor. Keine Ahnung, aber er wirkte wie fünf Kilometer. Es waren aber nur zwei bis zur Stadt. Der Rucksack bereitet mir leichte Rückenschmerzen, bei so etwas werde ich wehleidig.
Als wir die Räder erreicht hatten, mussten wir eine Viertelstunde verschnaufen, bevor wir uns in die Sättel schwangen. Drei Kilometer ging es abwärts. Herrlich, einfach das Rad laufen lassen. Keine Anstrengung, die Hitze war durch den Fahrtwind kaum zu merken. Vor allem brauchten wir wenig Zeit, bis wir Apt wieder erreichten. Zwar verfehlten wir anfangs den Radweg im Tal, aber irgendwann war er da.
Nach einem kurzen Einkauf im Intermarché ruhen wir uns gerade am Pool aus.
Morgen ist Samstag und Markttag. Und den werden wir nutzen, um unsere Akkus aufzufüllen. Sonntag auch. Wir sind im Urlaub.
Und nicht auf der Flucht. Es war ziemlich aktiv bisher. Nun freuen wir uns auf etwas Erholung am Pool. Und vielleicht auf eine Tarte au Citron in Apt morgen.